B’90 / Die Grünen wollen lokale Wende in der Klimapolitik
??: Ihr wollt, dass die Stadt bis 2035 klimaneutral ist. Das setzt selbstverständlich voraus, dass Bund und Land eine entsprechende Dynamik in Gang setzen. Aber was muss sich eurer Auffassung nach in Rat und Verwaltung ändern, damit eine entsprechende Wende in Energie, Mobilität und Wärme auch hier ankommt?
!!: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutzgesetz war nicht nur eine Klatsche für die Große Koalition in Berlin, sondern ist auch eine Verpflichtung für die Kommunalpolitik, Klimaneutralität ernst zu nehmen. Der Umgang mit dem lokalen Klimaschutzfonds zeigt exemplarisch, wie es nicht laufen darf. Die städtischen Mittel wurden bereits unter OB Mende gekürzt, unter OB Nigge wurden 54000€ Personalkosten zusätzlich aus dem Fonds abgezweigt. Die Überarbeitung des Klimaschutzkonzeptes und des Klimaschutzaktionsplans wurden outgesourct. Unser Antrag auf Wiederherstellung der ursprünglichen Vergabehöhe des Fonds und auf personelle Aufstockung fanden keine Mehrheit. Die lokale Wende setzt voraus, dass das 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens als Notwendigkeit bei Ratsentscheidungen anerkannt wird. Handlungsfelder sind u.a. klimafreundliches Bauen und Wohnen. Photovoltaik und Solarthermie auf den Dächern sollte bei Neubauten verpflichtend werden. Stärkere Begrünung beeinflusst das Mikroklima. Eine weitere Zersiedlung durch Baulandausweisung ist ebenfalls zu stoppen. Statt einer Autostadt ist eine klimafreundliche Mobilität umzusetzen. Unser Antrag auf eine autofreie Altstadt ist da nur ein erster Schritt. Zur Reduktion des CO2-Ausstoßes trägt auch der Einstieg in die Anschaffung für E-Busse sowie Hybrid- und Wasserstoffbusse bei. Die Verwaltung sollte ihre herkömmlichen Fahrzeuge durch E-Autos oder E-Bikes ersetzen. Die Wärmeerzeugung muss diskutiert werden. Sie ist im öffentlichen Bewusstsein kaum entwickelt.Zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2035 fordern wir einen Beirat für Klimaschutz.
??: Ihr fordert immer wieder die Beteiligung von Bürger*innen ein. Könnt ihr mal beispielhaft sagen, wie ihr euch das vorstellt?
!!: Ein erster und wichtiger Schritt ist es, Bürger*innen ernst zu nehmen. Die Handhabung der Einwohnerfragestunde deckt die Mängel auf. Die Geschäftsordnung des Rates ist hier zu überarbeiten. Die Fachausschüsse sollten sich ferner stärker für Fragen und Anliegen der Bürger*innen öffnen, die städtischen Netzseiten müssen noch offener und transparenter werden. Bei wichtigen Themen der Stadtgesellschaft muss es mehr Infoveranstaltungen geben. Beispielhaft ist hier aus der Vergangenheit die Inforeihe zum Thema Geflüchtete in der Exerzierhalle zu nennen. Auch runde Tische als Projekt zu festgesetzten Themen dienen einer stärkeren Bürger*innenbeteiligung, z.B. Parkraumsituation rund ums AKH.. Der Dialog zwischen Verwaltung/Rat und Bürger*innen muss neu belebt werden. Auch gibt es Modelle wie „Pimp your town“, um Jugendliche an der Politik vor Ort stärker zu beteiligen. Erfahrungen aus Jugendparlamenten sind auch ernsthaft für Celle zu prüfen
??: Öl und Gas müssen in der Erde bleiben, und das am besten sofort. Damit aber steht in Celle der wichtigste Industriesektor mehr oder weniger vor dem Aus. Was tun?
!!: In unserem Stadtprogramm fordern wir die Vorbereitung der Transformation im Erdöl- und Bohrsektor. Die Herausforderungen zeigen sich bei den Entlassungen bei Baker Hughes oder der Insolvenz bei der ITAG. Klar ist, dass die Lokalpolitik die Transformation allein nicht wuppen kann. Dieser Strukturkrise kann nur durch neue Produktionsfelder in den Unternehmen und/oder durch weitere Arbeitsplätze in anderen Firmen begegnet werden. Analog des Strukturwandels in den Kohleindustrie sollte auch für den klassischen Erdöl- und Gassektor ein Programm geben. Die Zeit der fossilen Energien ist vorbei.
??: Gehen wir mal davon aus, dass B'90/Die Grünen über 20 % bekommen und damit nach der CDU die zweitstärkste Kraft werden. Wärt ihr bereit, der CDU eine Art Koalition einzugehen? So böte sich ja vielleicht die Möglichkeit, dass ihr bei der Neubesetzung der Stelle des Stadtbaurates ein entscheidendes Wort mitreden könntet. Und das wäre ja auch dafür, was klimapolitisch geht oder nicht, eine der wichtigsten Entscheidungen.
!!: Wir sind gegenüber allen demokratischen Fraktionen gesprächsbereit. Wichtig ist für uns, Mehrheiten insbesondere für eine konsequente Klimapolitik im Rat zu gewinnen. Die Koalitionsfrage ist da nachrangig. Mit einer CDU, die den Politikstil und die Entscheidungen des Oberbürgermeisters kritiklos mitträgt, ist eine Koalition schwer vorstellbar. Der Rat und die Stadtgesellschaft müssen mitgenommen und eingebunden werden. Eine Politik „Alles–ist-Geschäft–der-laufenden-Verwaltung“ lehnen wir ab. Bei der Neubesetzung der Stelle des Stadtbaurates dürfte unser Einfluss noch nicht so viel Gewicht haben, weil der jetzige Rat die Entscheidungen treffen wird. Leider gibt das von der damaligen SPD-Alleinregierung beschlossene niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz dem Rat kein Vorschlagsrecht.