CDU tendiert zu Anarchismus

In der Stadt Celle besteht seit langen Jahren eine sog. Vegetationsschutzsatzung (VSS). Sie regelt, dass die Bürger*innen auf ihren Grundstücken befindliche Bäume auf Antrag bei der Stadt schützen lassen können. Sind diese Bäume einmal geschützt, dürfen sie ggf. nur noch auf Antrag und aus besonderen Gründen entfernt werden. Zum Ausgleich dieser Einschränkung werden ihre Besitzer*innen bei der Pflege dieser Bäume (z.B. Rückschnitt zur Verkehrssicherung, Entfernung toter Äste etc.) von der Stadt zu 50% bei den Kosten unterstützt. Nach dieser VSS sind bislang ca. 900 Bäume in der Stadt Celle geschützt.

Diese VSS erscheint jedoch angesichts des Klima­wandels völlig ungenügend, bleiben doch mindestens 10000 schützenswerte Bäume im Stadt­gebiet ungeschützt, darunter auch die im städtischen Besitz befindlichen Bäume. Das erleichtert u.a. Privatleuten und der Stadt die hemmungslose Umwandlung ihrer Grundstücke in Bauflächen. Müssten nämlich nach einer strengen Baumschutzsatzung (BSS) nach jeder Baumfällung wirklich Treibhausgas kompensierende Neupflanzungen oder Kompensationszahlungen geleistet werden, würde bei allen Bauvorhaben die Abholzung von Bäumen ein teurer Spaß und der Baumschutz bekäme bei jeder Bauplanung vorrangige Beachtung.
Bäume als wirksame Maßnahme gegen die Folgen des Klimawandels

Gemessen an der Anzahl der Bäume ist die CO2-Bindung der Bäume im Celler Stadtgebiet ver­glichen mit den Waldflächen des Landkreises natürlich gering. Doch die Begrünung von Städten vor allem mit Laub-Bäumen kann die Temperaturen – im Unterschied zu Asphalt und Betonflächen – bis zu 15 °C senken kann. Denn durch ihre Verdunstung wirken Laub­bäume als sehr effiziente Klimaanlagen. Die letzten heißen Sommer zeigten ja auch in Celle, dass die baumlosen bzw. baumarmen Zonen der Alt- und Innenstadt zu wahren Brutöfen werden, während in den Bereichen mit Bäumen (Parks, Straßenränder, private Grundstücke) die Temperaturen noch erträglich blieben. Allein schon wegen dieses Beitrags zur Verbesserung des Mikroklimas ist jeder Baum in Celle schützenswert.

Herbst 2020 – Antrag auf Baumschutzsatzung wieder vertagt

Nachdem es in den letzten Jahren immer wieder zu durch Bürgerinitiativen und auch F4F kritisierten Abholzungen gekommen war, fordern seit 2019 verschiedene Gruppierungen des Stadtrats (GRÜNE, SPD, unterstützt von BSG/Linke und später auch von Zukunft Celle) eine echte Baumschutzsatzung zumindest nach Vorbild von Hannover oder nach Vorschlag des Deutschen Städtetags. Climate Watch Celle machte bereits damals in einer Stellungnahme darauf aufmerksam, dass eine den Umständen des Klimawandels entsprechende Baumschutzsatzung wesentlich strenger ausfallen müsse, als die von Hannover oder vom Städtetag. Im Frühjahr 2020 wurde dann im Umwelt-Ausschuss beschlossen, dass das Grün Amt der Stadt dazu eine ver­gleichendes Paper (bestehende VSS vs. Hannover bzw. Städtetag) vorlegen solle. Doch dazu kam es nicht, stattdessen fand mit ein paar Stadtratsmitgliedern und dem Chef des Grünflächenamts ein „Spaziergang zu den Bäumen Celles“ statt. Im Herbst 2020 wurde dann der Antrag auf eine BSS im Ausschuss abgelehnt, stattdessen sollte das Grünflächenamt im Frühjahr einen Vorschlag für eine modifizierte VSS vorlegen.

Wahltaktische Vorlage einer BSS im Mai 2021

Nachdem die CDU-Fraktion im Stadtrat bis dahin eine Baumschutzsatzung eindeutig ablehnte, kam wohl die Sorge auf, dass dies im Kommunalwahlkampf doch einige Stimmen kosten könne. Und so wurde die Verwaltung offenbar genötigt, nun doch eine BSS zu erstellen, die dann recht überraschend im Mai 2021 als kompletter Entwurf im Umweltausschuss (UA) vorgelegt wurde. Climate Watch Celle machte in einer erneuten, sehr detaillierten wissenschaftlich und juristisch wohlbegründeten Stellungnahme darauf aufmerksam, dass diese vorlegte BSS unter den Aspekten Schutz von Klima und Umwelt als auch Nachhaltigkeit fast wirkungslos sei. Trotzdem gingen die Befürworter*innen einer strengen BSS ziemlich unvorbereitet in die UA-Sitzung, so dass die Aufforderung der Ver­waltung konkrete Verbesserungsvorschläge zu machen, in einem ziemlich wirren „Palaver“ endete. In der nächsten UA-Sitzung sollte dann eine die Ergebnisse dieser „Diskussion“ berück­sichtigende Fassung der BSS vorgelegt werden.

Juli 2021 – Rechenkunststücke statt Argumente

Anfang Juli wurde dann die BSS im UA in fast unveränderter Form vorgelegt. In dieser Sitzung des UA erklärte gleich vorab Heiko Gevers im Namen der CDU-Fraktion die Ablehnung der BSS. Einer der Hauptgründe sei die Belastung der Bürger*innen, da im Unterschied zur VSS die finanzielle Unterstützung der Baumbesitzer*innen durch die Stadt fehle. Und von solch einer Unter­stützung mache seine Fraktion eine Zustimmung abhängig. Diese Forderung der CDU-Fraktion nach städtischer Unterstützung ist übrigens gar nicht so abwegig. Denn schließlich ist Klimaschutz eine Gemeinschaftsaufgabe. Und wenn Privatleute zum Wohle der Allgemeinheit Bäume vorhalten, warum sollten sie dann nicht auch durch die Allgemeinheit unterstützt werden? Doch Stadtbaurat Kinder schwang dagegen sofort die Kostenkeule und behauptete dreist, dass diese Unterstützung beim Schutz von ca. 10000 Bäumen durch eine BSS die Stadt 0,5 bis 1 Mio. Euro pro Jahr kosten würde. Auf Nachfrage erklärte zwar ein Mitarbeiter der Verwaltung, dass die Stadt bislang für die 900 freiwillig VSS geschützten Bäume ca. 6500 Euro pro Jahr ausgebe. Doch seltsamerweise forderte daraufhin niemand Kinder auf, seine Kenntnisse der Grundrechenarten vielleicht im Integrationskurs der VHS aufzufrischen.

CDU plädiert für antiautoritäre Erziehung statt Baumschutz

Die dieses Mal besser präparierten Vertreter*innen einer strengeren Baumschutzsatzung machten nun darauf aufmerksam, dass die vorgelegte BSS u.a. bezüglich des Geltungsbereichs (nur bereits bebaute Stadtflächen) und der Schutzkriterien (Baumumfang und Baumart), so lasch sei, dass fast keine Bäume geschützt würden. Doch das fand wenig Beachtung. Stattdessen bekannte nun CDU-Mann Gevers, dass er prinzipiell gegen Verbote und Strafen sei. Das führe zu nichts, das habe ihm seine langjährige Praxis als Lehrer gezeigt. Es kann ja sein, dass der antiautoritäre Lehrer Gevers an der Schulordnung vorbei Generationen junger Anarchisten ins Leben ent­lassen hat. Aber will er, der als Ausschussvorsitzender stets auf der Geschäftsordnung herumreitet, nun etwa auch die Straßenverkehrsordnung, das Bürgerliche Gesetzbuch und das Strafgesetzbuch aufheben, weil sie eh nichts bringen. Ganz zu schweigen von den mit Höllen­strafen bedrohten 10 Geboten seines christlichen Gottes? All das wurde in dieser Sitzung nicht geklärt; stattdessen wurde von der Verwaltung gnädig erlaubt, dass die Stadtratsmitglieder der Verwaltung noch weitere Vorschläge und Einwände zur vorgelegten BSS einreichen könnten. Wir dürfen gespannt sein, ob der neugewählte Stadtrat endlich eine echte BSS zustande bringen wird.