Das revista – Preisrätsel zur Zukunft des AKH Celle
Artikel 12 unseres Grundgesetzes garantiert die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Diese Wahlfreiheit sollte wohl auch gegeben sein zwischen den Arbeitgebern Allgemeines Krankenhaus Celle, Stiftung bürgerlichen Rechts, einerseits und den Tochtergesellschaften Catering GmbH und Facility GmbH andererseits.
Bei der Ausgliederung der Wirtschafts- und Versorgungsdienste aus dem AKH gab es die „freie Wahl“ für die Mitarbeiter*innen: Entweder den Arbeitsvertrag mit der Tochtergesellschaft unterschreiben oder eine fristgerechte Kündigung. Bisher wurde nicht geklärt, ob hier ein Verstoß gegen Regelungen zum Betriebsübergang vorliegt. Jedenfalls waren mehr als 20 Beschäftigte des AKH nicht bereit, die gleiche Arbeit für weniger Gehalt zu machen und erhielten die Kündigung.
Für Einige stellte sich dann heraus, dass es auch mit der fristgerechten Kündigung nicht weit her war. Denn während der Kündigungsfrist stellte das AKH überraschend alle Zahlungen ein; sowohl das Gehalt wie auch die Sozialversicherungsbeiträge wurden einbehalten. Es drohte der Verlust des Krankenversicherungsschutzes. Erwartungsgemäß wurde das AKH vom Arbeitsgericht zur Zahlung verurteilt. Ein Kommentar während der Verhandlung: „Auch die kleinste Klitsche muss während der Kündigungsfrist ihren Verpflichtungen nachkommen; also auch das AKH.“
Bemerkenswert die Begründung des Arbeitgebers für sein Handeln: Die Verweigerung des Arbeitgeberwechsels durch die Beschäftigten sei böswillig. Dem schloss sich das Gericht nicht an. Kommentar: „Böswillig ist die Bedrohung des Arbeitgebers mit einem Baseballschläger; nicht aber die Ablehnung eines Arbeitsangebotes bei einem anderen Arbeitgeber.“
Inzwischen zeichnet sich ab, dass einige der Kündigungsschutzklagen ihre Fortsetzung vor dem Landesarbeitsgericht in Hannover erfahren werden. Das AKH scheut keine Kosten und Mühen, seine langjährigen Mitarbeiter*innen loszuwerden.
Während zum 1. Januar 2021 Beschäftigte des Transportdienstes gekündigt wurden, setzte das Krankenhaus in diesem Bereich Bundeswehrsoldaten ein, um den Betrieb noch am Laufen zu halten. Begründet wurde dies mit der COVID–Pandemie. Allerdings hatten die Soldaten damit nichts zu tun, denn selbstverständlich werden hochinfektiöse Patient*innen fast nie im Krankenhaus transportiert. Trotzdem wurde der Einsatz von führenden Politikern der großen Parteien verteidigt. Aus dem Krankenhaus war zu hören, dass auch für die Soldaten der Einsatz nicht leicht war, denn sie wurden von den Krankenhausbeschäftigten durchaus als Ersatz für beliebte Kolleg*innen wahrgenommen, sozusagen als Kündigungshelfer. Und aus dem ärztlichen Dienst gab es Meldungen, dass sich Transporte verzögerten. Denn die mehr als dreißigjährige Erfahrung in der Organisation von Transporten im Krankenhaus ließ sich nicht so schnell ersetzen.
Die Ursache all dieser widersprüchlichen Handlungen ist die Finanzkrise des AKH, die im Herbst 2018 nach dem Vorstandswechsel von Stephan Judick zu Martin Windmann öffentlich wurde. Die Ursachen wurden nicht aufgeklärt, jedenfalls nicht transparent gemacht. Und es gibt auch keine Regressforderungen an den angeblich Hauptverantwortlichen. Bei unterschiedlicher Größenordnung zeigt die Aufarbeitung des Diesel-Skandals bei VW, dass es auch anders geht. Der frühere Konzernchef Martin Winterkorn zahlt 11,2 Millionen Euro Schadenersatz an VW. Darf der Aufsichtsrat des AKH auf Schadenersatz verzichten, wenn er Managementfehler als Ursache des Schadens annehmen muss? Es geht ja nicht um das Geld des Aufsichtsrates, sondern um das Vermögen des Krankenhauses, für das der Aufsichtsrat die Verantwortung trägt.
Womit müssen nun die ausgegliederten Mitarbeiter*innen der sogenannten Tertiärbereiche als Opfer der Finanzkrise rechnen? Das wurde im letzten veröffentlichen Jahresabschluss 2019 des AKH erklärt: „Betriebsrat und Vorstand haben sich am 07.05.2020 auf ein Vorgehen (für) das AKH Celle geeinigt. Dieses sieht die stufenweise Absenkung der Gehälter bis zum 31.12.2025 auf ein neues Tarifniveau vor (pro Jahr max. 8 Prozent).“
Es gibt keinen Hinweis, dass auch für Betriebsräte und Vorstände jährliche Gehaltsabsenkungen von acht Prozent vereinbart wurden, also 40 % in fünf Jahren. Solche Grausamkeiten mutet man nur anderen zu.
Die Begründung des Arbeitgebers für sein Tun: Er könne die Mitarbeiter*innen nicht nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlen, weil dies durch das Fallpauschalensystem der Krankenhausfinanzierung nicht refinanziert sei. Das wäre noch zu beweisen. Wäre das aber so, dann ist ja wohl das Fallpauschalensystem falsch. Wie kann es sein, dass die Auftragsvergabe der Öffentlichen Hand von der Tariftreue der Leistungsanbieter abhängig gemacht werden soll, wenn gleichzeitig ein Krankenhaus in öffentlicher Trägerschaft seine Beschäftigten nicht mehr tarifgerecht vergüten kann?
Beim Stichwort „Auftragsvergabe“ denken wir sofort an die aktuellen Baupläne des AKH. Gebaut werden soll für rund 150 Millionen Euro und dafür sollen Kredite von rund 100 Millionen Euro aufgenommen werden. Da die zuletzt veröffentlichten Jahresabschlüsse rote Zahlen aufweisen, müssen diese Kreditsummen wohl durch die Einsparungen bei der Reinigung erwirtschaftet werden.
Und damit kommen wir endlich zu unserem Preisrätsel, bei dem wir mit vereinfachten, gerundeten Zahlen eine Berechnung ausführen wollen. Das AKH nimmt Kredite in Höhe von 100.000.000 Euro zum Zinssatz von null Prozent auf. Eine Reinigungskraft in Vollzeitbeschäftigung verdient gemäß TVöD 2.200 Euro brutto im Monat. Wieviel verdient sie, wenn sie auf 40% ihres Monatsgehaltes verzichten muss? Wie lange muss die Reinigungskraft auf 40% ihres Gehalts verzichten, damit das AKH seine Kredite zurückzahlen kann?
Für die zehn ersten richtigen Einsendungen gibt es einen nagelneuen Rotstift.
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Was meint die SPD?
Die CZ berichtete, dass CDU, SPD und FDP hoffen, dass das Urteil vom Landesarbeitsgericht wieder einkassiert und zugunsten des AKH gedreht wird. Für die SPD begründete Maximilian Schmidt dies so: „Fakt ist: In den tertiären Bereichen gibt es nur für Dehoga-Tarife eine Refinanzierung, entsprechend sind wir gezwungen, diesen Weg zu gehen. Wer glaubt, er könne das AKH wirtschaftlich sanieren, ohne auch nur irgendeine einschneidende Maßnahme, der irrt und hat schlicht keine Ahnung oder ist mindestens naiv.“
Rechtfertigt das wirklich Lohnraub? Bestimmt gibt’s auch Fallkonstellationen, bei denen das AKH die Kosten nicht refinanzieren kann. Werden die Patient*innen deshalb nicht behandelt?
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ver.di Celle informiert
Kampf hat sich gelohnt
Zum Jahreswechsel hatten mehr als 120 Beschäftigte des Allgemeinen Krankenhauses die „freie Wahl“: Entweder sie stimmten dem Wechsel in neue Tochtergesellschaften zu, um dort die gleiche Arbeit für weniger Geld zu machen, oder sie erhielten vom Arbeitgeber die Kündigung. Mehr als 20 Kolleg*innen wehrten sich, wurden gekündigt und reichten beim Arbeitsgericht Celle Kündigungsschutzklage ein. Am 28. Juli 2021 wurden erste Urteile verkündet.
Weil die Auslagerung der Wirtschafts- und Versorgungsdienste rechtsmissbräuchlich war, gibt es keinen wirksamen Grund für eine Kündigung. Und ohne Kündigungsgrund gibt es keine Kündigung. Die Kolleg*innen bleiben in gleicher Funktion und zu gleichen Bedingungen Arbeitnehmer*innen des Allgemeinen Krankenhauses. Im Gegensatz zu den Tochtergesellschaften ist dies ein relativ sicherer Arbeitsplatz.
Etwa 100 Kolleg*innen hatten dem Druck des Arbeitgebers nachgegeben und dem Wechsel zur Tochtergesellschaft zugestimmt. Wenn die Auslagerung Rechtsmissbrauch war, man könnte auch sagen Unrecht oder Schikane des Arbeitgebers; dann war der vom Arbeitgeber ausgeübte Druck zum Wechsel vielleicht auch Rechtsmissbrauch, Unrecht, Schikane, Erpressung oder auch Sittenwidrigkeit. Das müssten Gerichte entscheiden, wenn man ihnen durch Klage die Gelegenheit dazu gibt. Dazu braucht es Kläger*innen.
Anlässlich der bevorstehenden Wahlen sollten sich die Politiker*innen der großen alten Parteien mit Mehrheit im Aufsichtsrat des AKH diese Frage stellen: Werden Celler Bürgerinnen und Bürger Politiker*innen und Parteien wählen, die aktiv Rechtsmissbrauch zum Nachteil der Krankenhausbeschäftigten begehen?
Und der Betriebsrat des AKH, der das Auslagerungsverfahren mit dem Arbeitgeber ausgehandelt hatte, muss sich fragen, ob er diesen Weg gegen die Interessen der Beschäftigten weitergehen will oder ob er gemäß seinem Amt diejenigen unterstützt, denen Unrecht widerfahren ist.
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Betriebsrat weist Verantwortung von sich
Der AKH-Betriebsrat nahm übrigens Stellung zur Berichterstattung in der CZ, die den Einruck vermittelte, der Betriebsrat habe die "Maßnahme mitgetragen" (4.8.2021) bzw. "mitgespielt" (5.8.2021). Dazu der BR:
„[...] Der Betriebsrat war von Anfang an gegen eine Ausgliederung oder Fremdvergabe! [...] Die Entscheidung zur Ausgliederung eines Betriebes oder Betriebsteiles liegt alleine beim Unternehmer / Arbeitgeber und ist weder vom BR, einer Gewerkschaft oder den Bescha?ftigten aufzuhalten. [...] Die Mitbestimmung des BR besteht in einem solchen Fall [...] also nur bei dem "Wie", jedoch nicht beim "Ob". [...] Und genau das hat der BR im Rahmen seiner begrenzten rechtlichen Mo?glichkeiten bei der Verhandlung zum Sozialplan gemacht. In za?hen und schwierigen Verhandlungen hat der BR eine komplette Ausgliederung an externe Dienstleister und damit den Verlust von u?ber 200 Arbeitspla?tzen in der AKH Gruppe verhindert. Die Anwendung von Tarifvertra?gen sowie eine Abmilderung der Lohnabsenkungen u?ber fu?nf Jahre wurde durchgesetzt. Halten wir fest: Die Verantwortung fu?r die grundsa?tzlichen Verschlechterungen liegt alleine beim Arbeitgeber! [...]“