70 Millionen Euro für die Zukunftsfähigkeit des Krankenhauses?

Dass Allgemeine Krankenhaus (AKH) liegt in finanzieller Hinsicht auf der Intensivstation. Zuletzt musste es – um im Bild zu bleiben – künstlich beatmet werden: mit einem 70-Millionen-Kredit durch den Landkreis.

Wofür braucht es das Geld? Für Investitionen in den Bereichen Bau, medizintechnische Infrastruktur und Digitalisierung. Begründet wird dies mit dem Alter der vorhandenen Gebäudestruktur. Zudem sollen die Neubauten die Energie- und Unterhaltungskosten senken, sowie durch eine Umstrukturierung einen effizienteren Personaleinsatz ermöglichen. Gebaut werden soll zunächst im Westen der Klinik hinter dem Verwaltungstrakt.

Ab 2027 werden so „Einspareffekte“ von rund zwei Millionen Euro erwartet. Ein weiterer Zweck soll bei einem auf etwa 550 Betten (bisher 615) reduzierten Volumen die Schaffung von ausschließlich Ein- oder Zweibettzimmern sein.

Allein die Baukosten hierfür belaufen sich auf rund 91 Millionen. Dazu kommen Investitionen in neue Medizintechnik in Höhe von rund 30 und in die EDV-Ausstattung in Höhe von 10 Millionen. Die Gesamtkosten werden mit 145.653.000 Euro prognostiziert.

Abgesehen von der Rettungsaktion der Ende 2019 vor der Insolvenz stehenden AKH-Gruppe hat der Landkreis Celle sich bisher finanziell nicht am Krankenhaus beteiligen müssen. Denn eigentlich ist die Sicherstellung der Krankenhausversorgung Ländersache. (Die laufenden Kosten müssen sich über die Krankenkassen finanzieren.) Aber das Land Niedersachsen (mit SPD/CDU-Regierung) kommt dieser Aufgabe nur unzureichend nach. Es will sich gerade einmal mit 35 % oder knapp 54 Millionen Euro beteiligen.

Auch schon in der Vergangenheit waren die Krankenhäuser deshalb gefragt, Investitionen aus ihren Überschüssen zu finanzieren. Und genau da klemmt’s beim AKH. Und nicht nur da. Den Kredit des Landkreises braucht es, weil die AKH-Gruppe offensichtlich Banken nicht mehr als kreditwürdig gilt, d.h. sie daher kein Geld bekommt.

Die wichtigste Kennzahl zur Beurteilung der Vermögenslage eines Krankenhauses ist die sogenannte Eigenkapitalquote, die das Verhältnis des Eigenkapitals zur Bilanzsumme abbildet. Je höher die Eigenkapitalquote ist, desto geringer ist das Risiko einer Überschuldung und damit verbunden einer Insolvenz. Oder anders gesagt: Die Möglichkeit, bei einer hohen Eigenkapitalquote aus eigenen Mitteln Investitionen zu tätigen, führt zu einer größeren Unabhängigkeit von Fremdkapitalgebern.

Bei der AKH-Gruppe ist diese Eigenkapitalquote in den letzten zehn Jahren von fast 60 % auf nur noch 20 % gesunken (der Durchschnitt bei Krankenhäusern in frei-gemeinnütziger Trägerschaft lag 2019 bei knapp 30 %).

Eine nachvollziehbare Analyse dieser Entwicklung gibt es für die Öffentlichkeit nicht. Wir mutmaßen, dass das noch von der rot-grünen Bundesregierung verabschiedete (und inzwischen breit kritisierte) Fallpauschalengesetz eine Wirkung zeigt, die die privaten Kliniken begünstigt, aber Kliniken wie das AKH einem problematischen Wettbewerb ausgesetzt hat. Misswirtschaft unter dem vorherigen Vorstand und unzureichende Kontrolle durch den Aufsichtsrat kommen sicher hinzu.

Zurück zum Verhältnis von Landkreis und AKH: Der Kreistag hat Anfang Juni dem 70 Millionen-Kredit zugestimmt (dagegen waren B’90/Die Grünen, Behiye Uca von Die Linke hat sich enthalten). Vereinbart ist einer Tilgungsdauer von 40 Jahren zzgl. Zinsen zur Verfügung. Sollte das klappen, hätte der Landkreis angesichts der geringeren Zinsen, die er selbst zahlt, sogar einen finanziellen Vorteil: Aber: Was ist, wenn die AKH-Gruppe Tilgung und Zinsen nicht aufbringt?

Zumal: Außerhalb des aktuellen Finanzierungsrahmens stehen aus Sicht des AKH weitere Investitionen an für den Bau eines neuen Parkdecks, für den Neubau eines Schulgebäudes, für den Bau bzw. die Sanierung der Küche sowie die Kosten für die Bauabschnitte – beziffert aktuell mit gut 20 Millionen Euro.

Aus unserer Sicht kann sich der Landkreis das alles aktuell „leisten“. Er ist zwar einer der am höchsten verschuldeten Landkreise Niedersachsens. Aber er steckt anders als die Stadt nicht „knietief im Dispo“.
Trotzdem fordert diese Situation eine Diskussion über die Zukunft des Allgemeinen Krankenhauses heraus, auf die die Gewerkschaft verdi, aber auch Die Linke drängen.
Stellungnahmen zur Situation des AKH von SPD, V’90/Die Grünen und Die Linke findet ihr übrigens auf Seite 8.

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ver.di:
Ein vergifteter Kredit

Der ver.di – Ortsverein mischte sich im Juni in die Diskussion ein mit der Erwartung eines überzeugenden Bekenntnisses des Kreistags zur öffentlichen und möglichst kommunalen Trägerschaft des AKH.

Der Landkreis leihe der Stiftung AKH zwar die Summe vom 70 Millionen Euro. Aber er habe eine Ausstiegsklausel vereinbart mit fristloser Kündigung der Ausleihung für den Fall, dass das AKH mit der Zahlung der vereinbarten Zins- und Tilgungsleistung ganz oder teilweise in Verzug gerät. „Das ist das Gegenteil eines überzeugenden Bekenntnisses zu diesem Krankenhaus.“

Die Befürchtung von ver.di ist, dass, wenn die Baukosten explodieren und die AKH–Stiftung zahlungsunfähig wäre, das AKH nach einer Grundsanierung für einen symbolischen Preis an eine private Krankenhauskette verkauft wird.

Dagegen schlägt ver.di vor, das AKH in eine öffentlich-rechtliche Trägerschaft zu überführen. Faktisch würde das AKH durch die Kreditzusicherung ja bereits jetzt zu einem Kreiskrankenhaus; die Argumente dafür:

„Neben beratenden Mitgliedern ohne Stimmrecht und einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer setzt sich der Aufsichtsrat ausschließlich aus Kreistagsabgeordneten des Landkreises Celle zusammen. Die maßgeblichen Entscheidungen werden also bereits von Mitgliedern des Kreistages getroffen. Und wirtschaftlich wird die Stiftung AKH durch die Kredite vom Landkreis abhängig. Deshalb sollte auch formal-juristisch unser AKH ein Kreiskrankenhaus werden. Wenn dazu eine geordnete Insolvenz der Stiftung Allgemeines Krankenhaus Celle notwendig ist, dann sollte dieser Schritt emotionslos und ohne Schuldzuweisungen gegangen werden. Für die Beschäftigten des Krankenhauses würde das eine belastende Hängepartie beenden.“

Zum Verständnis vielleicht noch folgende Ergänzung: n der bundesdeutschen Krankenhauslandschaft gibt es drei Träger-Modelle: privat, öffentlich-rechtlich oder wie in Celle in Form einer Stiftung. Formal hat der Kreistag und der Stadtrat keinerlei Einfluss auf die Geschicke der AKH-Gruppe; das könnte sich bei einem Übergang in eine öffentlich-rechtliche Trägerschaft ändern.

Behiye Uca (Die Linke) hat in ihrer Kreistagsrede darauf hingewiesen, dass sie für den Fall einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft auch eine paritätische Beteiligung der Beschäftigten im Aufsichtsrat für sinnvoll hält: „Wer einen Neustart will, muss sich meines Erachtens auch mit der Rolle des Aufsichtsrates beschäftigen. Bisher gibt es kein einziges Wort der Selbstkritik. Ich bin der festen Überzeugung, dass da mehr Kompetenz aus den Reihen der Beschäftigten hineingehört. Wahrscheinlich hätten einige Fehler der Vergangenheit so vermieden werden können.“