Jedes sechste Kind (bzw. Jugendliche) bis 18 Jahren wächst in Celle in einer Hartz IV-Bedarfsgemeinschaft auf, lebt also einem Haushalt, der als „arm“ gilt - der größte Teil davon in Alleinerziehenden-Haushalten. Auch wenn Kommunalpolitik nur über wenige Möglichkeiten verfügt – welche Ideen habt ihr, diese Situation anzugehen und zu verbessern?
SPD: Das ist leider so, in der Kommunalpolitik haben wir dort nur ganz wenig Spielraum. Vor allem können wir was beim Thema Wohnen tun, dort setzen wir uns seit geraumer Zeit für eine realistische Wohngeldtabelle ein. Für Kinder und Jugendliche wollen wir vor allem die Freizeitangebote ausbauen, nach Corona brauchen junge Menschen Zeit und Raum zum Aufholen. Da werden wir alles unterstützen, was hilft!
B’90/Die Grünen: Ein Ansatz ist menschlicherer Umgang mit dem Wohnungsmarktgutachten. Solch ein Gutachten hat seine Berechtigung und ist ein Anhaltspunkt, damit Vermietende keine Wunschpreise aufrufen, im Wissen „das Amt zahlt ja“. Ist aber keine Wohnung zu einem im Gutachten festgestellten Mietzins zu finden, dann wird uns zurückgespiegelt, dass ein hoher sich in regelmäßigen Abständen wiederholender Nachweisaufwand durch die Leistungsbeziehenden erforderlich ist. Und wer sich dem aus Frust entziehen will, zahlt aus seinem Existenzminimum drauf.
Als Fraktion versuchen wir bei unseren Anträgen nicht nur auf Leistungsbeziehende zu schauen, sondern Geringverdienende generell zu berücksichtigen. Letztere liegen vielleicht nur leicht über dem Bedarfssatz oder kommen auch ohne Arbeitslosengeld II über die Runden und verzichten aus nachvollziehbaren Gründen, sich dem Bürokratiemonster Antragstellung ALG II auszusetzen. Ein Beispiel: Wir diskutierten in unserer Fraktion vor einiger Zeit, wie wir den ÖPNV für Hilfeempfänger*innen vergünstigen könnten. Neben zusätzlichen Bürokratiekosten waren eben auch die Geringverdienenden ein Grund neben anderen Gründen, dass wir mit dem 365 Euro-Ticket einen günstigeren ÖPNV für Alle wollen. Als wichtig erachten wir, auf gleiche Chancen und gleiche Teilhabemöglichkeiten unabhängig vom Einkommen zu achten. Das Bildungs- und Teilhabepaket ist dabei ein wichtiger Punkt, wo ein aktives Zugehen auf die anspruchsberechtigten Familien uns ein Anliegen bleiben wird. In der Schulpolitik sehen wir mit dem Konzept der Gesamtschule, dass infolge einer höheren Durchlässigkeit die Chancen auf ein Abitur steigen. Wir werden für eine weitere Gesamtschule kämpfen. Viele Themen werden hier aber auch in unseren Städten und Gemeinden entschieden. Sei es bei den Eintrittspreisen im Schwimmbad oder die Zahl der Spielplätze. Und da geht es nicht allein darum, die Situation zu verbessern, sondern auch eine Verschlechterung zu verhindern, wenn nach Corona der Rotstift in den Rathäusern angesetzt wird.
Die Linke: Ja. Kaum jemand spricht über das größte soziale Problem: Kinderarmut. Grundlegend ändern lässt sich das auf kommunaler Ebene nicht. Aber mit einem Sozialpass, wie es ihn z.B. in Hannover gibt, wäre eine Brücke gebaut zu mehr Teilhabe. Neben Vergünstigungen bei Kultur und Sport geht es vor allem um den ÖPNV: Die Tageskarte kostet dort die Hälfte, die Monatskarte etwas mehr als die Hälfte. Das würde vor allem den vielen Alleinerziehenden helfen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind.
Für Menschen mit normalen Einkommen sind die Wohnkosten eine große Belastung geworden. Deshalb wollen wir, dass es mehr öffentlich geförderte Wohnungen mit Sozialmieten gibt. Seit Jahren gibt es zudem für viele Sozialeistungsbezieherinnen und -bezieher eine Kostenlücke. Die Mietwerttabelle im Landkreis ist so, dass viele nicht die vollen Wohnkosten erstattet bekommen, sondern sie aus den Regelleistungen etwas abzwacken müssen. Auch das geht auf Kosten der Zukunft der Kinder. Das kritisieren wir seit Jahren – und wir sind froh, dass SPD und Grüne das zuletzt endlich begriffen haben.