Things have changed
Im November gab die hiesige RWLE-Möller-Stiftung den Autoren Mischa Kopmann als Stipendiaten für 2021/22 bekannt. Kopmann stammt aus Celle, lebt allerdings schon seit Jahren in Hamburg und beschreibt seine Bindung an die Heidestadt als nicht sehr eng: Er habe keine besonderen Erwartungen, - allerdings sei mit dem Stipendium auch keine Residenzpflicht verbunden wie bei typischem Stadtschreiber:innen-Projekten.
Dennoch kann eine solche geförderte Aus-zeit in ihrer Wirkung offenbar kaum überschätzt werden. Engagiert berichtet Kopmann von seinen kürzeren Förderaufenthalten in Soltau und bei Paris. In jenem Fall waren - ähnlich der „Villa Massimo“ - Künstler:innen verschiedenster Richtungen gemeinsam untergebracht: „Ich bin als einziger nicht in die französische Hauptstadt reingekommen – und als mein Zug zurück nach Deutschland um 6.30 losfuhr, da hatte ich gerade drei Stunden vorher meinen letzten Punkt getippt!“ Die Chance zum Arbeiten also fleißig genutzt.
Förderlich waren auch die Anerkennung durch kleinere Literaturpreise (den Allegra Kurzgeschichtenpreis und den Walter Serner Preis).
Und das ist spürbar: Nein, die Lehr- und Wanderjahre, die lägen nun denn doch hinter ihm, sagt Kopmann. Er sei froh, mittlerweile seine Stimme gefunden zu haben. - Natürlich sei das Schreiben nach wie vor eine harte Sache, jedoch fühlt er sich angekommen. Weiß heute, dass nicht um jede Formulierung, um jeden Satz gnadenlos gerungen werden muss. Und nicht jedes beendete Buch muss wie ehedem mit einer nahezu totalen Erschöpfung bezahlt werden.
Dafür sei er besonders dankbar, dass an diesem Punkt seines Weges eine gewisse Gelassenheit einkehren konnte. Und er sieht sich beschenkt durch das Wirken Bob Dylans, dessen Werk Kopmann sich seit Jahren verbunden fühlt.
Und überhaupt Musik: Es sei gar nicht auszuloten, in welchem Maße die Musik – und in den letzten Jahren heiße das beileibe nicht nur Beatles bzw. rocklandroll, sondern gern auch Jazz in seinen so vielen Spielarten – ihn dabei begleitet habe, seine Stimme finden zu können. Die Stimme? – Ja, das ist der Vorgang, die Erkundung der Pforten, Türen und Räume der innerweltlichen Architektur auf dem Papier zu konkretisieren; und auch hier experimentiert Kopmann. Schreibmaschine und Laptop, das war früher – heute sitzt der Autor gern auch mal mit Stift und Schreibblock auf der Fensterbank.
Wie wird es nun weitergehen, vielleicht einmal eine Lesung in Celle?
Kopmann hat durchaus im Literaturhaus Hamburg, in einem Altonaer Szenetreff und auf der Leipziger Buchmesse gelesen, doch der Autor mag sich nicht festlegen. – Sicher ist er sich hingegen in einer skeptischen Sicht auf die Literatur in Zukunft: „Wer liest denn heute noch Bücher über 200 Seiten?“ Da sei ein verknöchertes Verlags- und Buchvertriebswesen auch nicht förderlich.
Aber nicht nur die fehlende Beschäftigung mit den „schönen Künsten“ auch das fehlende politische Bewusstsein bzw. die Geschichtslosigkeit allzu vieler junger Leute, die beunruhigen Kopmann. Im Gespräch schwenkt er das Smartphone: „Hauptsache lesbare Pixelgröße und schlichter, kompakter Inhalt.“
Gleichwohl, ein Freund von Eliten ist Kopmann beileibe nicht und daher muss, wer eine Stimme zur Verfügung hat, dann folglich sein Sprechen fortentwickeln: - so wie beim aktuellen Projekt „zum ersten Male interessieren sich jetzt meine (erwachsenen) Kinder für das was und wie ich da schreibe“ und das freut ihn sichtlich.
Die Dinge werden sich weiterhin ändern – und wir dürfen gespannt sein.
Mischa Kopmann im Osburg Verlag;
Dorfidioten - Roman, 240 Seiten, € 20,00 - 2019 - ISBN 978-3-95510-179-4
Aquariumtrinker - Roman, 230 Seiten, 20,00 € - 2017 - ISBN: 978-3-95510-126-8
Haus in Flammen - Roman, 160 Seiten, € 20,00 - ISBN 978-3-95510-274-6 - Erscheint am 22.02.2022