Wenn Wahlen etwas ändern würden, sollte sich das in den nächsten fünf Jahren mal zeigen

Die Kreis-CDU hat es erschüttert; die Partner:innen der neuen Kreistagsmehrheit waren unterm Strich wohl eher überrascht, dass es ihnen tatsächlich gelungen ist, ein Bündnis einzugehen. Die Kreistagsfraktionen von SPD (14 Abgeordnete), dem Klimabündnis aus B’90/Die Grünen, Die Partei und Die Linke (10), der FDP (5) und der WG/CDW-Gruppe (3) haben zusammen 32 von 59 Kreistagssitzen. Gebildet wurde eine Gruppe mit dem Namen „Gemeinsam für Fortschritt im Landkreis Celle“, übrigens noch bevor die Berliner Ampel ihren Koalitionsvertrag mit der Überschrift „Mehr Fortschritt wagen“ versah.

Manifestiert hat sich das in einem ersten Schritt vor allem in Personalentscheidungen auf der Ebene von Repräsentanz. Dirk-Ulrich Mende (SPD), der ehemalige Celler Oberbürgermeister, wurde – neu im Kreistag – gleich zu dessen Vorsitzenden gewählt, zu seinen Stellvertreter:innen Marlies Petersen (Klimabündnis) und Wilhelm Köhler (WG/CDW). Zu (ehrenamtlichen) Stellvertreter:innen von Landrat Flader wurden gewählt: Kirsten Lühmann (SPD), Gerald Sommer (Klimabündnis) und Charles Sievers (FDP).

Wie angemerkt: Im Kern geht es um Repräsentanz dahingehend, wer in diesem Kreistag eine Mehrheit zu bilden verstanden hat. Aber die Sitzungsleitung, die jetzt bei Mende liegt, kann bei strittigen Entscheidungen durchaus einen positiven Beitrag zur Diskussionskultur leisten.
Auf der formalen Ebene interessant war in der konstituierenden Sitzung des Kreistags die Einrichtung eines neuen Ausschusses für Mobilität, Gebäudewirtschaft und Klimaschutz – also der Bündelung von Fragen wie ÖPNV, Raumordnung und klimarelevanten Maßnahmen in Schulen und anderen kreiseigenen Gebäuden. Die neuen Mehrheitsverhältnisse hatten dann auch einen Anteil daran, dass mit Michael Huber ein Vertreter der zivilgesellschaftlich breit verankerten Klimaplattform einen Sitz als beratendes Mitglied erhielt.

Für die Zusammenarbeit wurde eine dreiseitige Gruppenvereinbarung verabredet und unterzeichnet. Bemerkenswert daran ist vielleicht, dass sich niemand gewundert hätte, wenn dieser Text als Basis für eine Zusammenarbeit von CDU und B’90/Die Grünen oder von CDU und SPD bekanntgegeben worden wäre. Bis auf die Absicht, eine zweite Gesamtschule an den Start zu bringen, gehen die Zielformulierungen kaum über das hinaus, was in den nächsten Jahren sowieso passieren wird oder muss. Zu hoffen wäre deshalb vor allem, dass die neue Mehrheit gesellschafts- und klimapolitisch sinnvolle Projekte der Ampel-Bundesregierung nicht blockiert oder ignoriert, wie es vom ehemaligen Landrat Wiswe und einer CDU-Mehrheit zu erwarten gewesen wäre, sondern Wege öffnet zu einer Umsetzung auf Kreisebene. Die Fachkräfte in der Kreisverwaltung könnten sich vor diesem Hintergrund auch eine Befreiung vom mehltauartigen Zustand der Wiswe/CDU-Vergangenheit erhoffen. Und vielleicht erfahren zivilgesellschaftliche Projekte künftig Kreisverwaltung und Kreistag als offener für ihre Anliegen.

Eine wichtige Rolle bei alledem kommt dabei dem Klimabündnis zu, also der Gruppe aus B’90/Die Grünen, Die Partei und Die Linke. Es muss die treibende Kraft sein und Initiativen entwickeln, die über den Tellerrand der bisherigen Kreispolitik hinausweisen. Und dabei vor allem die Gruppenpartner:innen überzeugen und gesellschaftliche Akzeptanz und Verankerung herstellen.

Foto oben: Bei der Klimademo am 5. November präsentierten sich am „Fridays“-Transparent die vier Fraktions-Chef:innen der „Gruppe für Fortschritt“ (v.l.n.r.: Ulrich Kaiser (WG/CDW), Angela Hohmann (SPD), Jutta Krumbach (FDP) und Marlies Petersen (Klimabündnis); am linken Rand Dr. Michael Huber von der Klimaplattform – und rechts das TON3RAD des Bunten Hauses. Dass Herzog Ernst der Bekenner, jedenfalls die Büste, sich nicht dafür zu interessieren scheint, deuten wir mal als positives Zeichen.