„Zero Waste“ ist in weiter Ferne – nicht nur durch Corona

Die Pandemie-Maßnahmen hatten Folgen für das Abfallaufkommen der privaten Haushalte in Deutschland: Insgesamt stieg das Pro-Kopf-Aufkommen um 19 kg von 457 auf 476 kg im Jahr – oder 4 Prozent. Im Landkreis Celle wuchs die Menge des Siedlungsabfalls um 35 kg von 531 auf 566 kg pro Kopf und Jahr (6,6 %).

Erklären lässt sich das vor allem durch „Corona“-Aktivitäten wie Renovieren oder Aufräumen („Ausmüllen“) und die Verlagerung von Essenszubereitung in die eigene Küche (Stichwort: „Home-Office“). Beim Sperrmüll gab es einen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr um gut 15 %, beim Sperrmüll (Holz) um knapp 43 % (zusammen 13 kg pro Kopf und Jahr mehr). Bei den haushaltsrelevanten Sparten (also Hausmüll, Altglas, Leichtverpackungen und Bioabfall) waren es zusammen nochmal 18 kg, die gegenüber 2019 dazugekommen waren.

Abfall wird nicht weniger, aber zu Wertstoff

Trotz aller Vermeidungsrhetorik der letzten Jahre – vermieden wird Abfall nicht: Bei der Gesamtmenge an Siedlungsabfällen sind im Jahr 2020 in Celle erstmals seit 2007 wieder mehr als 100.000 Tonnen zusammengekommen. Vieles davon hat aber als sogenannter "Wertstoff" eine Aufwertung erfahren.
Der Müllberg wird nicht kleiner, aber es landet etwas weniger davon in der Restmülltonne. Lag die Recyling-Quote 1990 bei 40 %, so liegt diese seit gut zehn Jahren bei ungefähr 60 %. Ziehen wir davon die „recycelten“ Leichtverpackungen wieder ab, geht etwa die Hälfte in die Müllverbrennungsanlagen. (Und wird uns als klima-freundliche thermische Verwertung verkauft, da die so stattfindende Stromerzeugung eine Erzeugung durch fossile Rohstoffe ersetze.)

Müllverbrennung statt Deponierung war die erste große Veränderung, die zweite besteht im Ausbau des Recyclings. Voraussetzung dafür ist die Mülltrennung. Die Abfallbilanz des für den hiesigen Müll zuständigen Celle Abfallzweckverband (ZAC) weist hier widersprüchliche Entwicklungen auf.

Bilanz einzelner Sektoren

Je mehr getrennt wird, desto weniger Hausmüll sollte es eigentlich geben. Aber: Im Jahr 2000 hatten wir 23.000 Tonnen und im Jahr 2020 waren es 22.571 (allerdings ein langjähriger Höchststand). Der Landkreis Celle liegt mit 176 kg pro Einwohner:in und Jahr übrigens deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt (156 kg).

Beim Altpapier ist die Gesamtmenge seit 2015 rückläufig. In der vorhergehenden Dekade war sie Jahr um Jahr gewachsen, insbesondere durch verstärkte Nutzung der Altpapiertonne. Aktuell sind es gut 13.000 Tonnen, von denen etwa 80 % in der Tonne, der Rest durch Selbstanlieferung und (mit abnehmender Tendenz) durch Vereinssammlungen zusammenkommen.

Beim Altglas gab es zwischen 1999 und 2006 einen deutlichen Rückgang um 45 %. Einen großen Anteil daran hatte die Umstellung von Einweg- und Mehrweg-Glasflaschen auf Kunststoffflaschen, bei gleichzeitiger Minderung der Mehrwegquote, was letztlich zu mehr Kunststoffabfall führte. Seitdem schwankt das eingesammelte Altglas konstant um die 5.000 Tonnen-Marke.

Seit 2015 gibt es einen starken Anstieg der sogenannten Leichtverpackungen, die aus Kunststoffen und Verbundstoffen, Aluminium oder Weißblech u.a. bestehen. Im Jahr 2020 gab es mit knapp 8.000 Tonnen einen neuen Höchststand, 17 % mehr als 2015. Hier zeigt sich beispielhaft ein Dilemma: Wächst die Menge, weil die Verbraucher:innen besser trennen und/oder weil im Haushalt größere Mengen anfallen? Wobei jenseits der Propaganda der Industrie des „Gelben Punkts“ klar ist: Nachhaltig ist bei der Verwertung hier nur wenig. Vor allem, weil sich die Verbundverpackungen weder energetisch, noch ökologisch, noch wirtschaftlich recyceln lassen.

Mit 6.762 Tonnen hatte der Bioabfall einen langjährigen Höchststand. Von 2009 bis 2019 schwankte die jährliche Gesamtmenge zwischen zwischen 6.000 und 6.300 Tonnen. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre waren es im Durchschnitt gut 20 % mehr.

Einen neuen Höchststand gab es auch beim Grünabfall mit 17.248 Tonnen. Hier war die Menge in den letzten fünf Jahren relativ stabil, wobei gegenüber 2005 eine Verdoppelung zu verzeichnen ist (insbesondere in der Zeit zwischen 2004 und 2014).

Die letzte mengenmäßig große Fraktion ist der Sperrmüll. Hier gab es 2020 mit 11.392 Tonnen ebenfalls einen neuen Höchststand. Und auch hier ist in den letzten 15 Jahren eine Verdoppelung zu verzeichnen.

Wegwerfgesellschaft – kein Ende absehbar

Die Müllabfuhr früherer Tage ist zur Abfallwirtschaft geworden. Und die Gesellschaft hat ein ruhiges Gewissen, da sie ja trennt. Gleichzeitig führt eine unhinterfragte Konsumkultur zu stetig steigenden Abfallmengen.

Sinnvoll ist sicher die Kompostierung von Bio- und Grünabfall, wobei es schon ein Ziel sein sollte, die Menge dadurch zu verringern, dass weniger Lebensmittel in den Müll kommen.

Beim Altglas könnten Mehrwegsysteme die Menge verringern. Aber das geht wahrscheinlich gegen den Markt nur mit Regulierung – also einem Verkauf von Getränken und in Glas verpackten Lebensmitteln nur noch über den Pfandweg und echte Mehrwegysteme.

Und so blöd das jetzt klingen mag: Vielleicht sollte es diese Zeitung nicht mehr gedruckt geben … Doch wahrscheinlich ist es nicht einmal der Lesestoff, der die Abfallbehälter zuvörderst füllt, sondern auch hier Verpackungen, die zu großen Teilen nur der Bewerbung des Produkts bzw. dem Lieferhandel geschuldet sind.

Der Sperrmüll ist zumeist ja schon beim Kauf dazu verdammt, genau das zu werden. Möbel, die keine zwei Umzüge überleben, dürften weder hergestellt noch verkauft werden. Und ist wirklich alle 10 bis 15 Jahre eine neue Küche oder Wohnzimmereinrichtung nötig?

Über die Kreislaufwirtschaft zu Zero-Waste?

Der Abfallwirtschaft ist zugute zu halten, dass sie technisch in den vergangenen Jahren viel in Sachen Effizienz von Behandlung und Verwertung getan hat. Abfallvermeidung mit Ziel, sich am Ende selbst überflüssig zu machen, liegt aber jenseits ihrer Möglichkeiten.
Und da half auch wenig, das Abfallgesetz zu einem Kreislaufwirtschaftsgesetz zu reformieren, denn von einer Kreislaufwirtschaft ist in der Wirklichkeit nur wenig zu finden. Um dahin zu kommen, bedarf es nicht des guten Willens der Einzelnen, sondern vor allem und zuerst staatlicher Regulierung der Wirtschaft.

Die grüne Bundestagsfraktion hat im September 2020 eine „Strategie für eine ressourcenleichte, giftfreie und klimaneutrale Kreislaufwirtschaft“ erarbeitet, die Kreislaufwirtschaft ernst nimmt, also mehr will als das Greenwashing, was die Abfallwirtschaftsdiskussion prägt. Hier geht es z.B. Vermeidung im Sinne direkter Wiederverwendbarkeit (Mehrweg-Systeme) bzw. um Verlängerung und Haltbarkeit von Produkten. Aber im Koalitionsvertrag findet sich davon leider wenig bis nichts.

Wie so oft geht es also darum, dass gesellschaftlicher Druck gefragt ist, um eine Wende herbeizuführen. Und da kommt auch die kommunale Ebene ins Spiel.

400 Zero-Waste Cities in Europa

Fast 400 europäische Städte und Gemeinden haben sich zu Zero-Waste-Cities (also Null-Abfall-Städte) erklärt – in Deutschland z.B. Kiel, München, Regensburg. Sie verfolgen das Ziel, Verschwendung zu vermeiden und Abfälle aus dem Verkehr zu ziehen – nicht durch Verbrennung oder Deponierung – sondern durch die Schaffung und Implementierung von Systemen, die überhaupt keine Abfälle erzeugen; siehe: https://zerowastegermany.de/
Darüber mehr in einem der nächsten Hefte, denn es ist zu hoffen, dass das Klimabündnis im Kreistag und die Gruppe für Nachhaltigkeit und Vielfalt im Rat Initiativen in dieser Richtung ergreifen. – Und wer sich individuell müllfrei machen will, findet auf dieser Seite, interessante Hinweise: https://www.zero-waste-deutschland.de/

https://www.gruene-bundestag.de/files/beschluesse/beschluss-kreislaufwirtschaft.pdf

Restabfallgebühr steigt

Die Müllgebühren sind zum 1.1.2022 gestiegen. Die Grundgebühr wird je Restabfallbehälter um 7,30 € pro Jahr von derzeit 83,95 €/a auf 91,25 €/a angehoben. Die Erhöhung von 8,7 % relativiert sich aber mit einem Blick auf die Gesamtgebühren. Denn erstens bleibt die Mindestentleerungsgebühr für 240 Liter Bestandteil der Grundgebühr, d.h. bei einer 120-Liter-Tonne sind zwei Leerungen „frei“. Zweitens bleibt die Gebühr für die einzelne Leerung gleich. Also für die einzelne Leerung einer 120-Liter Restabfalltonne werden 9,12 € fällig, bei einer 240-Liter-Tonne 18,24 €.

Beispiel: Für einen Haushalt mit einer 120-Liter Restabfalltonne mit 10 Leerungen pro Jahr steigt die Jahresgebühr von bisher 156,91 € auf 164,21 €, also um genau die 7,30 € Erhöhung für die Grundgebühr, was unterm Strich dann aber eine Erhöhung von 4,7 % ausmacht.

Für Biomüll- und Altpapiertonnen werden weiterhin keine Grundgebühren erhoben. Bei der Biotonne bleibt auch die Leerungsgebühr gegenüber den Vorjahren gleich.