Für die Sanierung der Breiten Straße sollen alte Linden abgeholzt werden

Bäume haben es schwer in Celle. Aus unterschiedlichen Gründen geht es ihnen an den Kragen. In der Breiten Straße sollen sie „weichen“ mit dem Argument „Klimaresilienz“. Das löst Unverständnis aus, aber aus dem Rathaus gab’s schon ein vorlautes „Basta“.

Die Breite Straße soll saniert werden. Sie ist Teil des Sanierungsgebietes Neuenhäusen und soll jetzt „schön hübsch“ gemacht werden. Aber was „schön hübsch“ ist, darüber gehen jetzt die Meinungen weit auseinander. Die Verwaltung hat durch ein Planungsbüro zwei Varianten entwickeln lassen. Die unterscheiden sich im wesentlich durch die Frage: Baumerhalt oder Neupflanzung – und die sich dadurch ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten.
Bei der Erhaltvariante bleiben 65 Bäume – elf aus dem Altbestand sind laut Gutachten nicht erhaltenswert und werden durch zehn Neupflanzungen ersetzt. Bei der Neupflanzungsvariante würde der Baumbestand von der Zahl her auf 73 wachsen, wobei zusätzlich hervorgehoben wird, dass beste Standortbedingungen realisierbar und die Lenkung des Wurzelwerks möglich wäre. Zudem würden klimaangepasste Baumarten gewählt.

Was spricht dann gegen die Abholzung? Die Planungsbüros lassen z.B. unter den Tisch fallen, dass ein alter Baum eine wesentlich stärkere Kühlwirkung hat als ein junger Baum. Es würde gut 15 Jahre dauern, bis nachgepflanzte Bäume hier eine vergleichbare Wirkung erzielen. Und da die Ursache für das Absterben der bestehenden Bäume offensichtlich Wassermangel ist, wäre die Vergrößerung der Sickerflächen durch Einschränkung der Parkplätze keine schlechte Idee.
Doch gerade hinsichtlich der Parkplatzzahl schneidet der Erhalt ziemlich schlecht ab: etwa 65 stehen 99 gegenüber, wenn neu gepflanzt würde.
Aus Sicht der Technokrat:innen zeigt sich das „Team Baumerhalt“ wohl rückwärtsgewandt gegenüber ihren neuen Konzepten – Stichwort: Schwammstadt. Ein solch „modernes“ Regenwassermanagement, das nur mit Neupflanzung zu erreichen sei, setzt auf die Schaffung von Speichern für Oberflächenwasser im Straßenraum. Das ist der neue „Resilienz-Joker“.

Das ist wahrscheinlich technisch alles „state of the art“. Aber ist das die Zukunft: Wir dürfen weiter Pflastern, Platten legen, Asphaltieren und Parkplätze schaffen, wenn wir nur ab und zu ein paar Löcher machen, wo das Wasser abfließen oder versickern kann. Und stehen dabei ein paar Bäume im Weg, werden sie eben unter dem Vorwand Resilienz umgehauen?

Hinter dem Konflikt „alt“ oder „neu“ geht einiges unter, so die Frage: „Wie wollen wir leben?“ Klar, darauf haben selbst Menschen, die in einer Straße leben, oft sehr unterschiedliche Antworten. Bei den Varianten steht also auch zur Wahl: Ein viel breiterer Gehweg oder mehr Parkplätze. Das 100 Jahre alte Foto lässt erahnen, dass es schon ohne parkendes Blech ganz schön sein könnte. Gestalterisch spannend wäre zudem die Frage: Lässt sich nicht aus dem Mini-Quartier zwischen Bahnhofstraße, Hannoverscher Straße, Jägerstraße und Fuhsestraße ein verkehrsberuhigter Bereich machen, in dem sich alle Verkehrsteilnehmer:innen gleichberechtigt den Raum teilen? Das wäre doch für alle – also auch z.B. Gastronomie und Handel – von Vorteil, oder? Und wären eine Straße für Menschen nicht eine, bei der sich diese über Bäume freuen würden, die nicht erst in 30 Jahren Schatten werfen und Kühle spenden?
Es ist also eine Diskussion nicht „nur“ um Bäume, sondern eine darum, wie wir leben wollen.

Der scheidende Stadtbaurat Ulrich Kinder hatte den Planungsentwurf übrigens dahingehend kritisiert, gängige Praxis sei die Sanierung im Bestand. Dass es dazu jetzt eine „Alternativ“-Planung gibt, sei der ausdrückliche Wunsch von OB Nigge gewesen.