Theaterschauspieler:in – ein besonderer Lebensweg

Der Autor dieser Zeilen hat in vier Jahrzehnten eine ganze Reihe von Nachwuchstalenten durch die Spielkreise, AGs und Jugendtheatergruppen in Celle gehen sehen. Aus recht wenigen ist „ein/e richtige/r Schauspieler/in“ geworden. Tony Marossek - von 2008 bis 2011 im Jugendclub und als gesuchter Statist auf der Hauptbühne (unter anderem Endstation Sehnsucht / Himmelwärts / Logout) zu sehen – hat neben seiner Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten seine Theaterbegeisterung wachgehalten und später den Weg zur Aufnahme an einer Schauspielschule und dann 2018 den Eintritt in ein Erstengagement geschafft. Im April konnten wir ihn in Kiel in zwei Stücken - einer poetischen Inszenierung von Steinbecks Von Mäusen und Menschen (Foto: Staatstheater Kiel, Olaf Strunz) und stark in Hermannsschlacht 2023, einem Soloabend als Eigenproduktion des Staatstheaters - sehen. In der Theaterkantine schildert Tony seinen Weg: 24 Castings habe er in zweieinhalb Jahren durchlaufen, sich bei einer privaten und zahlreichen staatlichen Schauspielschulen im deutschsprachigen Raum beworben mit Bildmaterial, vorbereiteten Rollen und Demo-Videos. Staatliche Schulen sind wohl immer noch die -Kosten!- günstigere Weise sich für ein Engagement zu empfehlen. Das kostet Zeit und Mühe. Und Geld – allein für einigermaßen akzeptable Fotos ist das schnell einmal ein vierstelliger Betrag. Und Glück muss der Mensch dabei auch noch haben: das Max Reinhardt Seminar hatte Tony zuerst in die Endauswahl gelangen lassen, einmal rundweg abgelehnt und beim dritten Male schließlich angenommen. Dann folgte die Ausbildung über acht Semester.

Ist er nun angekommen? Keineswegs – das zweite Engagement ist noch wichtiger als das erste und die Schauspielerei ist eine Arbeit, die keine abschließende Befriedigung kennt – natürlich sind manche Vorstellungen für die Theatermenschen beglückend, das gemeinsame Erarbeiten eines Werkes und der Austausch mit immer neuen Menschen spannend, aber der Selbst-Zweifel ist ständiger Begleiter, denn Kunst erfindet Antworten auf die Fragen des Lebens immer wieder neu.

Und die Ökonomie?

Wie sieht die sozio-ökonomische Alltagslage von Theaterleuten aus? Ach, es wird in unserem Land ja alles vertraglich geregelt- für die Bühnenschaffenden tut dies der ominöse Normalvertrag - Solo (NV); es gibt das Verbot der Risiko-Sportarten, das Ehegattenbeschäftigungsverbot der Intendanz und fürs darstellende Gewerbe gilt: mitzubringen ist „bei Männern ein Straßenanzug - bei Frauen ein Straßenkleid - für beide Geschlechter das zu Anzug und Kleid jeweils gehörende Schuhwerk sowie die dazugehörige Kopf- und Handbekleidung“.

Es scheint darauf hinauszulaufen, daß Schauspieler*innen kein Auto haben sollten und eine billige Wohnung in der Innenstadt; sie sollten ein festes Engagement oder ein paar Verträge für TV-Werbung haben, sie sollten keine Familie gründen wollen (Frauen sollten möglichst nicht altern) und keine sozialen Kontakte außerhalb der Theaterwelt wünschen, wegen der Arbeitszeiten an sieben Tagen in der Woche sowie der morgendlichen Proben und den Vorstellungen überwiegend abends; Text sollten sie möglichst nachts lernen können, sonst bleibt wenig Zeit zur Nahrungsaufnahme. Und sie sollten nicht freiberuflich arbeiten – dann gibt es gar keine Absicherung – oder sie sollten vielleicht doch frei arbeiten: dann winkt das große Geld. Vielleicht!

Hiervon trifft manches auch auf die weiteren künstlerischen Berufe an den Bühnen zu: Regie und Bühnenbild; Kostüme, Bühnenmusik und Maske. Es gibt an den wenigsten subventionierten und privaten Häusern noch eine sogenannte Hausregie – Werkverträge sind die Regel und selten bleiben Dramaturg*innen lange an einem Haus; Hausautor*innen sind eine Rarität. Allein die Leute in Werkstatt, Bühnenmaschinerie und Verwaltung haben eine stabilere Lebensperspektive.

Warum tun diese Leute sich das alles an? Die Theaterwelt kann eine ganze wunderbare Erfüllung vermitteln und die Funktion von Bühne – von Kunst allgemein – ist gesellschaftlich so notwendig wie eine zeitgemäße Pädagogik, umfängliche Sozialarbeit und allgemein zugängliche Heilkunst. Ein Blick in die regionale und die globale Lage der Dinge zeigt: notwendiger ist dies denn je.

GEPUNKT

Am 1. Juni wollen sich die Tarifparteien für die Bühnenschaffenden in der Republik zu einer neuen Verhandlungsrunde treffen.

 

Erhöhung der Mindestgagen auf 2.750 bis 3.100 Euro 

Die Theatergewerkschaft Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) verlangt eine Erhöhung der Mindestgagen auf 2.750 bis 3.100 Euro, abhängig von der Größe der Häuser und Qualifikation der Mitarbeiter*innen… Aktuell liegt die Mindestgage bei 2.000 Euro. Einige, aber bei weitem nicht alle Theater zahlen mittlerweile freiwillig mehr, so zum Beispiel Bremen oder drei Staatstheater in Hessen. 2000 Euro lägen "im Vergleich zum öffentlichen Dienst unter dem Bereich der un- und angelernten Küchenhilfen und Boten", so die Gewerkschaft. Bühnenkünstler*innen hätten hingegen "meist einen Hochschulabschluss, sie arbeiten an Sonn- und Feiertagen, unter der Woche oftmals im zweigeteilten Dienst und häufig länger als andere Berufsgruppen". Auch angesichts der steigenden Inflation sei deshalb "eine drastische Erhöhung der Mindestgage" eine "längst überfällige Korrektur, die schnellstmöglich umgesetzt werden muss".

… 2.550 €, immerhin 550 € mehr als bisher, klingt doch ad hoc erstmal gar nicht so schlecht - aber: Die GDBA hat durchaus nachvollziehbare Gründe, sich mit diesem Angebot nicht zufrieden geben zu wollen … auf der Webseite … heißt es u.a.: „eine Mindestgage von 2.550 € würde noch immer nicht dem gesetzlichen Mindestlohn gerecht, zumindest nicht nach den Berechnungen der GDBA“.