Roman zu Nazi-Netzwerk

Wie groß der Einfluss von Nationalsozialisten in Staat und Gesellschaft der Bundesrepublik war, wurde in den vergangenen Jahren mit jeder neuen historischen Untersuchung zu Institutionen immer deutlicher. Die meisten älteren Zeitgenoss:innen dürften dazu auch ein Alltagsleben in ihrem Erinnerungsschatz haben. In Celle nur als Beispiele: Ein Ritterkreuzträger als Landrat, der Adjutant des Führers als Geschäftsführer des DRK, der Leiter des Referats „Entjudung“ in Frankreich als Oberbürgermeister - dann die Treffen von Stahlhelm und Ritterkreuzträgern 1983 und 1993.

Internationales Aufsehen erregte 1977 die "Flucht" des Kriegsverbrechers Herbert Kappler aus italienischer Haft, was unsere Region insoweit tangierte und "interessierte", als seine "Heimkehr ins Reich" an den Wohnort seiner Frau in Soltau erfolgte.

In seinem Roman „Kapplers Hut“ beleuchtet der Burgdorfer Autor Gerd Bohne das Netzwerk, das seinerzeit für die Flucht des ehemaligen Chefs der Gestapo in Rom verantwortlich war. Bohne schickt sein Alter-Ego, den Hobbyhistoriker Hermann Weber, auf eine Recherche-Tour durch europäische Archive. Dabei ergeben sich Zusammenhänge zwischen dem Verschwinden des Mussolini-Schatzes 1945, einem Netzwerk ehemaliger SS-Angehöriger sowie Neonazi-Kreisen. Und er finden sich Hinweise dazu, welche Kreise und Interessen dafür sorgten, dass selbst größte Kriegsverbrecher in Westdeutschland ein weitgehend unbehelligtes Leben führen konnten. Dass es auch in den Nuller-Jahren, in denen Bohne den Roman spielen lässt, noch Kräfte gab, die sich gestört fühlten, bringt eine Krimi-Dimension in den Stoff.

Begleitet wird Weber bei seinen Recherchen von der in Portugal geborenen Anwältin Rosa Cigara, die Zusammenhänge mit ihrer Familiengeschichte entdeckt. Die Paar-Konstellation erinnert an Krimis von Wolfgang Schorlau, was ja kein schlechtes Qualitätsmerkmal sein muss.

Gerd Bohne: Kapplers Hut. Books on Demand 2022, 472 Seiten, ISBN-13: 9783755742807, 16,99 Euro