Profilierteste Persönlichkeit der jungen Rechten

Für einige Aufregung sorgte im Mai eine Studie der Forschungs- und Dokumentationsstelle zur Analyse politischer und religiöser Extremismen in Niedersachsen ((FODEX)). Wobei es nicht so sehr um den eigentliche Gegenstand ging, nämlich die Biografie des rechtsradikalen niedersächsischen Multifunktionärs Hans-Michael Fiedler (1943 - 2019), sondern um einen Akteur seines Netzwerkes. Dieser geriet als Gymnasiast in den 1970er Jahren in den Dunstkreis Fiedlers und blieb es rund 15 Jahre. Aber so what? Nun, er ist heute Familienrichter am Oberlandesgericht Celle. Rücksichtsvoll verschwiegen die Medienberichte den Namen. Der aber ist in der öffentlich zugänglichen Untersuchung kein Geheimnis: Christian Heck. (Ganz vorsichtig bediente man sich bei einer Überschrift auch eines Fragezeichens: „War Familienrichter früher aktiver Neonazi?“)

Die Autor:innen haben den Nachlass von Hans-Michael Fiedler ausgewertet, der – so FODEX – „neue Perspektiven auf einen zentralen Akteur der radikalen Rechten in Deutschland sowie dessen Netzwerke“ eröffnet. Analysiert wird die Genese der radikalen Rechten in Südniedersachsen von den 1960er Jahren bis Anfang der 1990er Jahre. Christian Heck war in diesem Zusammenhang für die Forscher:innen „ein prototypischer Kader im Sinne der skizzierten nationalen Jugendbildungsarbeit.“

In den 1970er Jahre gehört Heck in Göttingen zu den Gründern des "Unabhängigen Schüler-Bunds" (USB). Der Sozialistische Schülerbund schrieb 1974: „Daß die USB-ler nicht isoliert sind, sondern sich auch ‚Rat‘ von kompetenter Seite holen, zeigte ihre geschlossene Anwesenheit bei einer NPD-Veranstaltung im März in Göttingen. [...] Mit ihrer Propaganda sprechen sie gezielt die Schüler der Unter- und Mittelstufe an.“ Der USB wurde zu einem wichtigen Kooperationspartner innerhalb von Fiedlers Netzwerk, was – wie die Autor:innen mutmaßen – vor allem an der engen Beziehung zwischen Fiedler und Heck liegt. Er habe – so Fiedler 1975 – dem damals 17-jährigen Heck den Weg gebahnt und das Nest eingerichtet. Und er hebt Hecks Bedeutung hervor: „Wichtigste Kraftquelle des USB ist die überaus starke Persönlichkeit seines Führers: der 17-jährige Gymnasiast Christian Heck ist bereits heute, trotz seiner Jugend, die stärkste und profilierteste Persönlichkeit im Lager der jungen Rechten.“

Zur politischen "Karriere" listen die Forscher:innen auf: 1975 (bis 1979) Bundesvorsitzender des USB, anschließend Bundesgeschäftsführer, 1976 Vorstandsmitglied der Hochschulgruppe Pommern zu Göttingen (HGP). Kurz nachdem Heck den Vorsitz des USB abgegeben hatte, wurde dieser 1980 von der Bundesregierung als „rechtsextremistisch“ eingestuft. Bereits mit mit 16 Jahren publizierte Heck in der seinerzeit wichtigen rechtsextremistischen Zeitschrift Nation Europa. Zugleich war er – immer an Fiedlers Seite – im Deutschen Studenten-Anzeiger zuständig für die Seite „Jugend und Schule“, später Mitbegründer des Deutschen Hochschul-Anzeigers. Noch 1988 bezeichnet Fiedler Heck als seinen „Hausjuristen“. Für die Folgezeit gibt es im Nachlass Fiedlers keine weiteren Hinweise zu einer Zusammenarbeit mit Heck.

Nach Angaben des OLG Celle wurde Christian Heck 1992 als Richter auf Probe eingestellt und 1998 zum Richter am OLG ernannt, wo er seitdem in verschiedenen Familiensenaten tätig ist. Das Pensionsalter ist für den 1958 Geborenen nah. Da er im öffentlichen Leben Celle nicht „sichtbar“ ist, wird die Aufregung um den jugendlichen Extremismus sich schnell geben.

 

Katharina Trittel, Sören Isele, Florian Finkbeiner mit Hauke Bruns: Vom „Wächter am Tor“ zum „einsamen Wolf“. Der Multifunktionär Hans-Michael Fiedler und die Transformation der radikalen Rechten in Südniedersachsen. Reihe: FoDEx-Studie. Göttingen 2022 - https://www.fodex-online.de/fodex-data/akten/pdf/2022/Fodex-Studie-9-Fiedler-2022.pdf