Energiewende und Treibhausgas-Null erfordern eine radikale Verkehrswende

Die Fraktion „Klimabündnis“ hatte zuletzt im Kreistag beantragt, das Spätverkehr-Pilotprojekt auf den Buslinien nach Hambühren und Wathlingen, um jeweils eine weitere Fahrt nach 22 Uhr zu ergänzen. So sollte das Projekt auch für Besucher:innen von Kulturveranstaltungen oder Gastronomie in der Kreisstadt attraktiv werden. Im Klimaschutzausschuss im April wurden aber ernüchternde Zahlen präsentiert: Angesichts sehr niedriger Nutzer:innenzahlen von durchschnittlich 3,5 (Linie Wathlingen) und 1,4 (Linie Hambühren) pro Fahrt sei eine Ausweitung des Verkehrsversuchs aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht auf Basis des bisherigen Konzeptes nicht sinnvoll. (Die großen Linienbusse der CeBus verbrauchen rund 40 Liter Diesel auf 100 km und fahren bis auf wenige Ausnahmen im Rahmen des Verkehrsversuches nahezu leer.) Jetzt soll das Projekt möglichst schnell in einen On-Demand-Verkehr umgewandelt werden. Dazu mehr in folgendem Artikel:

Seit dem Ukrainekrieg hat es auch der/die Letzte gemerkt, wir müssen nicht nur wegen der Klima­katastrophe, sondern auch wegen der Abhängigkeit von fossilen Energien wie Kohle, Erdgas und Erdöl die Wende zu Regenerativen Energien schaffen. Doch diese Wende ist nur zu schaffen, wenn wir gleichzeitig den Energieverbrauch extrem verringern.

D.h. im Bereich Gebäudewärme müssen wir ca. 80% Energie einsparen, in der Industrie ca. 50% und im Bereich Verkehr ca. 80%. Wobei das einerseits den Güterverkehr betrifft, wo mindestens 90% des Ferntransports auf die elektrifizierte Schiene müssen. (Es spricht für die Zukunftsblindheit von Verwaltung und Politik, wenn dann immer noch eine Logistik Zentrum an die Bundesstraße gebaut werden soll).

Anderer­seits betrifft es den Personenverkehr, wo es in den Händen der Landkreise und Kommunen liegt, diese Energieeinsparung zumindest im Alltagsverkehr durchzusetzen. Hierfür kann der Ersatz von 48,5 Mio. Verbrennungsmotor-Pkws durch 48,5 Mio. E-Pkws nicht die Lösung sein; der Betrieb des E-Pkws würde zu viel elektrische Energie verbrauchen und die Produktion von Pkws und Batterien zu viele „graue“ Energie binden. Alternative muss es sein den lokalen und regionalen Individual-Verkehr per Pkw in großen Anteilen durch Öffentlichen Personen Nahverkehr (ÖPNV) zu ersetzen. Das bisherige Angebot an ÖPNV im LK Celle bietet dazu mehr Abschreckung als Anreiz, doch das muss und kann sich ändern.

ÖPNV statt Individual-Pkw muss die Mobilität erhöhen, statt sie einzuschränken!

Wer in einer Stadt mit flächendeckendem und gut organisierten ÖPNV (wie z.B. in Wien) unter­wegs ist, kann auch ohne Smartphone App im gesamten Stadtgebiet in Minutenschnelle S-Bahn, U-Bahn, Trambahn oder Bus nutzen, statt mit Pkw im Stau zu stehen oder auf Parkplatzsuche zu kreisen. Ein solches ÖPNV-Angebot erscheint auf dem Lande bzw. in einer Stadt wie Celle mit ländlichem Umfeld schwer vorstellbar. Herkömmlicher ÖPNV mit starren Linien und Großbussen kann das in der Fläche nur auf wenigen festen Linien und nur zu Stoßzeiten (z.B. als Schulbus) leisten.

Dazu kommt, dass bei Einschränkung des Individual- Pkw-Verkehrs auch die Mobilität von Alten sowie Menschen mit Behinderung oder gesundheitlicher Beeinträcht­igung verbessert werden muss. Allerdings fallen mit dem derzeitigen ÖPNV bereits jetzt z.B. Junge und sozial Benachteiligte, kurz alle die sich keinen Pkw leisten können, aus der Mobilität. Ein Mobilitätsangebot, das den Individual-Pkw-Verkehr nicht nur weitgehend ersetzt, sondern die Mobilität für Alle verbessert, kann kein privatwirtschaftliches Unternehmen leisten, sondern das muss auch im LK Celle als öffentlich-rechtliche Daseinsvorsorge im Rahmen eines ÖPNV neuer Art umgesetzt werden.

Eine Alternative zum herkömmlichen ÖPNV (leicht erweiterter Schulbus­verkehr) wäre eine Ergänzung mit modernem On Demand Verkehr. Dies allerdings nicht als Konkurr­enz zu festen ÖPNV-Linien, sondern nur als deren Ersatz zu wenig nachgefragten Zeiten bzw. zu Erweiterung auf bislang nicht versorgte Gebiete.

So funktioniert On Demand ÖPNV

Fahrgäste buchen eine Fahrt, indem wahlweise über Telefon, am PC über WebSite oder per Smartphone-App die Fahrt buchen. Das Leit-System des On Demand Anbieters leitet das Fahrzeug direkt zum Standort des Fahrgasts. Dabei wird das Fahrzeug dynamisch navigiert, um die Fahrgäste abzuholen und an ihr Ziel zu bringen. Andere Fahrgäste, die ein ähnliches Ziel haben, werden entlang der Strecke im selben Fahrzeug mitgenommen und abgesetzt (Ride Pooling). Ein Algorithmus sorgt dafür, dass dabei lediglich kleinere oder sogar gar keine Umwege entstehen. Durch den Einsatz flexibler, dynamischer Routenfu?hrung wird die Gesamteffizienz des Service optimiert.

So wird ÖPNV auch auf dem Land attraktiv

On-Demand ÖPNV bietet durch eine dynamische Routenführung und flexible Bedienform die Möglichkeit, im ländlichen Raum auch auf wenig oder gar nicht bedienten Strecken das Angebot so zu verbessern, dass es zur gut nutzbaren Alternative zum Pkw-Verkehr wird. Bei Flächen deckendem On Demand Angebot steigen zwar im Vergleich zum Linienverkehr die Gesamtkosten des ÖPNV. Doch im Vergleich zu einem starren Linienverkehr mit einem ähnlich großen zeitlich und örtlichen Abdeckungsgrad sinken die Betriebskosten extrem (leere Großbusfahrten entfallen und On Demand kann zu großen Tageszeitbereichen mit Kleinbussen und mit Fahrer:innen ohne Bus­führerschein gefahren werden). Übrigens, On Demand ÖPNV ist nur bedingt eine Konkurrenz zu privatwirtschaftlichem Taxibetrieb. In 2020 und 2021 haben bundesweit bereits 30% bis 40% der Taxiunternehmen bzw. Taxifahrer mangels Nachfrage aufgegeben. Sie könnten als Fahrer im On Demand ÖPNV eine zukunftssichere Beschäftigung finden.

Das sind die Vorteile von On Demand ÖPNV

• Keine festen Linien, aber evtl. bestimmte Verbindungssachsen oder bestimmte Gebiete.
• Keine festen Halte- und Zielpunkte. Gesetzlich vorgeschrieben müssen zwar im ÖPNV Ein- und Ausstiegspunkte festgelegt sein. Doch dafür genügen „virtuelle Haltepunkte“, so dass wie z.B. beim Son Demand System Sprinti in Hannover die Restfußwege für die Benutzer nicht größer sind als ca. 150 m.
• Die Nutzung ist kostengünstig, wenn die On Demand Verkehre in den vor Ort gültigen ÖPNV-Tarif integriert sind.
• Das Angebot kann auch sehr frühe und späte Tageszeiträume erfassen, so dass es auch für Pendler:innen oder junge Leute auf Freizeit Tour interessant wird.
• Das Angebot deckt auch das Wochenende ab, so dass auch kulturelle Veranstaltungen, Volksfeste, Disco- und Clubbesuche u.ä. bedient werden.
• Die Wartezeiten nach Anmeldung liegen i.d.R. unter 15 min.

Statt Spätbuslinie auch bei CeBus ein erster On Demand Versuch?

Auch den Verantwortlichen bei Landkreis und CeBus ist längst klar, dass das ÖPNV-Angebot verbessert werden muss. So wurden Probeweise von Montag bis Freitag zwei Spätbus­linien eingerichtet. Die Linie 600 vom Schlossplatz bis Wathlingen fährt nun im Stundentakt bis 22.20 und die 800 vom Schloßplatz bis Hambühren bis 22.35. Doch das Ergebnis war ent­täuschend. Die Busse wurden nur von wenigen Personen pro Fahrt genutzt. Allerdings bemerkten Kritiker:innen zu Recht, dass das Angebot durch die Pandemiezeit ohnehin auf geringere Nachfrage gestoßen sei, auch seien die letzten Fahrten für die Besucher kultureller Veranstaltungen, von Diskos oder Clubs viel zu früh angesetzt. Auch die Beschränkung auf die Werktage biete den Besucher:innen vielfältiger Veranstaltungen an diesen Tagen keine Alternative zum Pkw. Es soll nun als Ersatz für diese Nachtbuslinien Laufe des evtl. ein On Demand Versuch mit wirtschaftlicheren Kleinbussen getestet werden. Ist zu hoffen, dass dieser Test besser angelegt und beworben wird.

Derzeitige Alternativen AST und ALF

Anruf-Sammel-Taxi (AST): Der AST-Verkehr in der Stadt Celle bedient Nachfragen im Spät­verkehr bis etwa Mitternacht sowie einen Frühverkehr am Sonntag bevor der Regelbusverkehr einsetzt. Die Abfahrt erfolgt von festen Haltepunkten, Zielpunkt kann die private Adresse sein. Der AST-Fahrplan teilt Celle in vier Zonen: Fernbereich, Fernbereich 2, Nahbereich und Kernbereich. Entsprechend sind die Haltestellen in der Liste mit einem F (Fernbereich), F2 (Fernbereich 2), N (Nahbereich) oder K (Kernbereich) versehen. Für jeden Bereich gelten andere Abfahrtszeiten, im Spätverkehr nach 20 Uhr im Stundenrhythmus. Die Fahrt muss 45 Minuten vor Fahrtbeginn telefonisch bestellt werden (Rufnummer: 6393). Der Preis richtet sich nach den durchfahrenen Zonen: 1-2 Zonen: 3,60 € (was eigentlich das Stadtgebiet ohne die entfernteren Stadtteile abdeckt), 3 Zonen: 4,40 €, 4 Zonen: 5,10 € - Kinder, Zeitkarteninhaber und Freifahrt­berechtigte fahren im gesamten Gebiet für 2,80 €.

Anruf-Linienfahrt (ALF): Anruf-Linienfahrten verkehren nach festem Fahrplan und vorheriger, telefonischer Anmeldung. In den CeBus-Fahrplänen sind die Fahrten mit „ALF“ gekennzeichnet. Die verbindliche Anmeldung ist bis mindestens 59 Minuten vor Fahrtbeginn erforderlich. (Ruf­nummer: 05141 2788200). Angegeben werden muss die Liniennummer, die Abfahrtshaltestelle, die Abfahrtszeit, die Zielhaltestelle und die Personenzahl. Für ALF-Fahrten gelten dieselben Fahrpreise wie im Linienverkehr, Zeitkarteninhaber und im Linienverkehr freifahrtberechtigte Schwerbehinderte, werden unentgeltlich befördert. Der ALF-Verkehr verbindet vor allem Landkreisgemeinden untereinander, also z.B. Fassberg und Unterlüß oder Bergen und Hermannsburg. Und dies vor allem an Samstag und Sonntagen sowie in „Randzeiten“ des normalen Fahrplans.

Wenn das Versorgungsgebiet erweitert und von den starren Linien und Haltepunkten abgegangen würde, die Betriebszeiten auf alle Tageszeiten und Wochentage erweitert und die Voranmeldezeit verkürzt würde, kann aus ALF und AST ein flottes On Demand System werden. Ein On Demand System, das den Großbus-Linienbetrieb ergänzt und zu Zeiten geringer Nachfrage sogar ersetzen kann.