Erklärung der Frauenbegegnungsstätte UTAMARA und des Dachverbands des Êzîdischen Frauenrats
In Burgdorf ist eine Êzîdin aus Wathlingen Opfer eines Feminizids geworden. Der Mord an der 35-jährigen Esra fand tagsüber auf offener Straße statt, der Ehemann ist in Untersuchungshaft. Sie wurde am 3. Mai vor den Augen mehrerer Zeug:innen erstochen. In Untersuchungshaft sitzt der 37-jährige Ehemann, von dem sich Esra trennen wollte. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm heimtückischen Mord vor. „Wir sind wütend und wir trauern. Der Feminizid an Esra erschüttert uns. Wir sagen ‚es reicht‘ und ‚keine einzige mehr‘!“, erklären die Frauenbegegnungsstätte UTAMARA und der Dachverband des Êzîdischen Frauenrats (SMJÊ) in einer gemeinsamen Stellungnahme:
„In den letzten Monaten lesen wir fast täglich davon, dass ein Mann eine Frau getötet, oder es versucht hat. In Deutschland sind Feminizide damit eine traurige Alltagsrealität und dies muss sich ändern“, fordern beide Organisationen. Statistisch betrachtet ist der männliche Partner der gefährlichste Mensch im Leben einer Frau. „Damit ist und bleibt Gewalt an Frauen politisch und darf nicht ins Private verschoben werden“, heißt es.
Die gefährlichste Phase für eine Frau in einer Beziehung sei die, in der sie sich entschieden hat, sich vom Mann zu trennen. So war es auch im Fall von Esra in Burgdorf, die in Wathlingen im Landkreis Celle lebte. Der Mord fand tagsüber auf offener Straße statt, der Täter Hüseyin C. soll von hinten an sie herangetreten sein, als sie ins Auto einsteigen wollte. Dann soll er kurz auf sich aufmerksam gemacht haben und ohne vorherige Worte auf die Mutter zweier Kinder im Jugendalter eingestochen haben. Hüseyin C. war nach den tödlichen Messerstichen zunächst geflüchtet, hatte sich aber wenig später der Polizei gestellt.
„Ob wir uns trennen, uns wehren, eine Anzeige erstatten, Hilfe holen – oft schaffen es die Täter dennoch, Frauen das Leben zu nehmen, weil uns die Gesetze nicht vor dieser Gewalt schützen und die Zugänge zu Schutzmöglichkeiten für viele Frauen versperrt sind“, stellen UTAMARA und SMJÊ fest. Die Einrichtungen kritisieren außerdem, dass in den Medien oft verharmlosend von einer Beziehungstat gesprochen wird, wie auch in diesem Fall. „Es ist und bleibt ein Feminizid, denn die Frau wurde getötet, weil sie eine Frau ist und weil der Mann (hier der Ex-Partner) seinen Besitzanspruch gefährdet sieht. Eine Frau gehört nur sich selbst, keinem anderen – und es ist eine gesellschaftliche Aufgabe von Familien und sozialen und staatlichen Einrichtungen dafür zu sorgen, dass Männer keine Täter werden und Frauen das Leben leben können, weil sie ihr Leben leben wollte.“
Der Kampf gegen Feminzide betreffe alle, denn eine Gesellschaft, aus der Unterdrückung, Versklavung und Mord hervor gehen, sei nicht frei, heißt es weiter. Diesen Taten liege eine „misogyne patriarchale Mentalität“ zugrunde, die Frauen zu Eigentum, Ehre und Objekten erklärt. „Dementsprechend müssen wir ihnen einen feministischen Kampf ansagen und unsere Selbstverteidigung stärken. Dafür müssen wir uns organisieren, bilden und die Frauen erreichen, die sich nicht selbst befreien können“, so der gemeinsame Aufruf. „Wir fordern Gerechtigkeit, sowie die voll umfassende Umsetzung der Istanbul-Konvention – jetzt!“
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#keinemehr – Femizide in Deutschland ist der Titel einer Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung (Cover siehe oben), die hier zum Download verfügbar ist:
https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/201030_keinemehr_ONLINE_%C3%9CA.pdf