„Es wird darauf verzichtet, […] zahlenmäßige Zielvorgaben zu nennen."

Immer mehr Behörden und Verwaltungen geben ihren Mitarbeiter:innen Arbeitshilfen für die Anwendung gendersensibler Sprache. Die Stadt Hannover hat zuletzt ein Rechtsgutachten erstellen lassen (siehe nächste Seite), in dem festgehalten wird, dass der Genderstern im Rechts-staat unverzichtbar sei. In der Celler Stadtverwaltung geht’s gerade in die andere Richtung. In einer Art Dienstanweisung wurde Ende April mitgeteilt::

„Der Oberbürgermeister weist erneut daraufhin, dass im Schriftverkehr der Stadt das Gender-Sternchen ebenso wenig genutzt werden soll wie die Verlängerung mit „Innen“. Wir schreiben bitte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Mitarbeitende. Ich bitte Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend zu informieren.“

Die AfD-Fraktion im Rat wird’s freuen, ist sie doch bundesweit im Kampf gegen das, was sie „Gendergaga“ nennt. So kann der Oberbürgermeister demnächst bei einer strittigen Entscheidung wieder auf ein Entgegenkommen seiner rechtsextremistischen Hilfstruppe hoffen.

Besonders auffällig war der Genderstern oder der Gender-Doppelpunkt in Celle ja bisher eh nicht. Vereinzelt wird diese gendersensible Schreibung von der CD-Kaserne, dem Schloßtheater und dem Bomann-Museum angewandt.

Für die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt wäre die neue Regelung sogar ein Schritt nach vorn, endet doch ihr „Gleichstellungsplan“ mit dem Satz: „In der Stadtverwaltung wird der Gleichstellungsplan allen Mitarbeitern bekannt gegeben.“ Ihn den Mitarbeiterinnen – zumindest sprachlich – vorzuenthalten, dürfte zwar nur ein Lapsus sein. Aber einer, der einer Gleichstellungsbeauftragten nicht passieren darf.

Leider ist der gerade vorgelegte „Gleichstellungsplan“ nicht allein sprachlich ein Desaster, er ist es vor allem inhaltlich.

Die Diskussion über den Frauenanteil in Aufsichtsräten täuscht darüber hinweg, dass es im normalen Arbeitsleben nicht nur Lohndiskriminierung gibt (Gender Pay Gap), sondern Frauen z.B. in Leitungsfunktionen in Betrieben und Verwaltungen schlicht unterrepräsentiert sind. In der Verwaltung der Stadt Celle ist dies frappant: 13 Frauen in Leitungsfunktionen stehen 33 Männer gegenüber = 28 zu 72 Prozent.

Das immerhin ist dem „Gleichstellungsplan“ zu entnehmen. Ansonsten ist dieses Ende März dem Rat ohne Diskussion vorgelegte Dokument ein Ausdruck von Ignoranz – oder besser: Arbeitsverweigerung.

Wer z.B. erhofft, Gesamtzahl und -anteil von Männern und Frauen in der Stadtverwaltung zu erfahren, wird genauso enttäuscht, wie jene, die für Unterrepräsentanzen mehr Erklärung erhoffen als Stereotype.

Ein intellektuelles Highlight ist der Absatz zu „Zielvorgaben“: „Es wird darauf verzichtet, […] zahlenmäßige Zielvorgaben zu nennen. Es kann zwar ein wünschenswerter Idealzustand vorgesehen werden. Dieser ist jedoch nicht realitätsnah, da die Folgen des demographischen Wandels mit seiner zunehmenden Fluktuation keine verlässliche Abschätzung zulassen.“ Hä? Zielvorgaben sind selbstverständlich das, was erreicht werden soll. Wieso Idealzustand? Zielvorgaben werden im wesentlichen entwickelt auf Grundlage bekannter „demographischer“ Daten, also dem Wissen z.B. darum, wann Mitarbeiter:innen zu erwartender Weise aus dem Dienst ausscheiden.

Die Erklärung der Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen bewegt sich in etwa auf dem Niveau von Bäckerblumenprosa: „Die vergleichsweise geringe Zahl von Frauen in Führungspositionen könnte sich zum einen aus dem vermeintlich hohen Anspruch an Flexibilität, Mobilität und Verfügbarkeit herleiten, der häufig eher Männern als insbesondere Frauen mit familiären Verpflichtungen durch Kinderbetreuung zugesprochen wird. Auch die Eigenschaften, die eine Führungskraft vermeintlich besitzen soll, wie z.B. besonders „tough“ zu sein, und keine Schwächen zu zeigen, werden eher Männern zugeschrieben.“

Heißt? Im Rathaus haben die Ansichten alter weißer Männer Einfluss auf die Personalpolitik?

Dann hat es die seit einem Jahr im Amt befindliche Afshan Ahmed in Celle tatsächlich nicht leicht.

Ein Gleichstellungsplan hat nach dem Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetz (NGG § 15) übrigens alle drei Jahre zu erfolgen. Für die Zeit zwischen 2018 und 2022 gibt’s den in Celle schlicht und einfach nicht. Naja – ist halt für die Chefetage „Gedöns“.