...eines langen Jahre Reise in die Zukunft

Völlig vergessen ist sicher die uralte NDR-Hörfunkserie „Peine“- eine Persiflage auf den seinerzeitigen Erfolg von Dallas. In der niedersächsischen vormaligen - nein, nicht Öl- sondern eben Stahlstadt mit gegenwärtig rund 50tsd Menschen regt sich heute ein kulturell überraschend vielseitiges Theater- und Konzertleben. www.kulturring-peine.de. Das klassische Menu von Shakespeare bis Schirach aber auch die notorische Comedy und Vieles für Kinder und Jugendliche; dazu gängige Angebote im Kammermusik-Repertoire. Wie machen die das? Nun, fast alles wird eingekauft; fertige Produktionen und Programme aus der ganzen BRD von Solisten, Truppen, Ensembles die sogar aus dem Allgäu angetourt kommen und schon mal eine hohe vierstellige Summe oder mehr pro Abend kosten. Dafür entstehen dem Ring aber keine laufenden Kosten durch Vorhalten eines stehenden Betriebes, der von Kostüm über Bühne bis zur Schauspielkunst alles in Eigenregie und selbst produziert. Anders als hier in Celle mit dem festen Ensemble und stehendem Werkstatt- und Technikbetrieb.

Ein festes Ensemble? – die Fluktuation hier im Celler Schauspiel ist erheblich: sicher auch den zwei beutelnden Corona-Jahren geschuldet. Hausregie und Hausausstattung sind kaum nennenswert, die Geschäftsführung liegt in der dritten Hand innert weniger Jahre und ausgerechnet von der für das Bild des Hauses in der Stadt so wichtigen Mitarbeiterin der Öffentlichkeitsarbeit hat man sich zu Spielzeitende getrennt. Womöglich auch aus Kostengründen?
Rund die Hälfte der Abonennt:innen blieben dem Celler e. V fern und dennoch legt Intendant Andreas Döring mit Chefdramaturg Matthias Schubert einen hochambitionierten Spielplan für die Spielzeit22/23 vor www.schlosstheater-celle.de/termine.html - - nicht die deutschlandweiten Dauerbrenner Gott des Gemetzels, Der Vorname oder Tschick.

Allerdings auch nur einen „Klassiker“ - Brechts Sezuan - bei welchem das Publikum sich ggfs. einen eigenen Schluss suchen muss; kein Ibsen, kein Shakespeare. Jedoch Endes Momo, der Zauberer von F. Baum und Heinz Strunks Fleisch ist mein Gemüse – viel Gegenwart, Einiges an Musikalischem – Erik Gedeons Ewig Jung (der Autor/Composer ist aus alten Zeiten hier noch bekannt) und eine Menge für Kinder, Kids und junge Erwachsene (Der Löwe, der nicht schreiben konnte, urspünglich ein Bilderbuch / Alle außer das Einhorn) auf alle Spielstätten verteilt.
Vom Aufschlag her ein enorm engagiertes Programm – es ist förmlich zu spüren, wie hier auf der Rasierklinge geritten wird; – zudem wird wie viele andere Stadttheater der Republik die zwischenzeitlich vereinbarte Erhöhung der tariflichen Mindestgage für die Bühnenbeschäftigten (siehe revista#110) auch das Celler Haus vor erhebliche Probleme stellen.

Toi-toi-toi für die Leute dort. Und für uns. Celle oder Peine - ist das in Zukunft die Frage?

Noch ein Wort zum Kammermusikring - im Gegensatz zum Vorjahr, als die europäischen Erstliga-Ensembles sich die Klinke in die Hand gaben, präsentiert Klaas Endler nun eine Saison mit Kompositionen von der Wiener Klassik bis Jörg Widmann, von unterschiedlichsten Besetzungen vom norwegischen Klavier-Duo bis zu 10-, ja zwölfköpfigen modernen Truppen gespielt. Spannend.

GEPUNKT

DER GUTE MENSCH VON SEZUAN
Schauspiel von Bertolt Brecht, Musik von Paul Dessau
So 04.09. 11:30 Uhr Matinée
Fr 09.09. 20:00 Uhr Premiere (Hauptbühne)

EWIG JUNG
Ein Songdrama von Erik Gedeon
So 25.09. 11:30 Uhr Matinée
Fr 30.09. 20:00 Uhr Premiere (Hauptbühne)

Foto: Lucas Rosenbaum