In der sogenannten zweiten Runde des Spielplans wird und bleibt es musikalisch im Celler Theater; auf der Hauptbühne noch weiterhin zu sehn „Ewig Jung“ von Eric Gedeon und ab Mitte Oktober „Fleisch ist mein Gemüse“ nach dem 2004 erschienen autobiographischen Roman des Hamburgers Heinz Strunk (zuletzt erschienen „Sommer in Niendorf“; siehe revista 111)

Das ist der Vorteil des Intendantendasein – sie können sich mit lohnenden Aufgaben selbst beschenken; und so inszeniert A. Döring die problematischen, ja traumatischen Jahre des heranwachsenden Heinz Strunk in aufwändiger Deko mit witzigen und treffsicheren Versatzstücken (B. Bott) sowie mit einer kompletten Band im drehbaren Bühnenhäuschen. Mitten unter den Zuschauern die klaustrophobische Bettstatt der schwer gestörten Mutter, stark gespielt von Verena Saake. Heinz S. leidet unter den Depressionsattacken seiner Mutter, der Akne seiner pubertierenden Haut, der Unerreichbarkeit der Mädchen und der primitiven Rummelplatz-Mentalität der Konzertbesucher der Tiffanys. Der Band, in welcher Heinz sein zwischenzeitliches Auskommen findet.

Bis zur Pause erlebt das Publikum ein Feuerwerk der Niedersachsen- und Schützenpersiflierung, das nicht eben leicht zu ertragen ist. Marschwalzer und Suff-Motto-Gesänge inclusive - - Anwandlungen von Fremdschämeritis allenthalben. Nach der Pause geht der Abend erneut auf die Suche nach der Geschichte der Ablösungsmomente zwischen dem jungen Strunk und seiner Herkunft - und verläuft sich. Verläuft sich in der Präsentation gebrochener Typen mit fragwürdigen Ernährungsgewohnheiten, gefährlicher Nähe zu Spielsucht und uneingestandenen Sehnsüchten. War die Geschichte des jungen Heinz Struck zuletzt nicht tragfähig genug? Am Ende ist „Fleisch ist mein Gemüse“ eher ein Setzkasten von Befindlichkeiten, ein unterhaltsames Potpourri von Regie-Einfällen. Auf die Suche nach der Benennung von Ursache und Wirkung wird zunehmend verzichtet.

Auch das gehört zur Wahrheit: der Celler Intendant kennt sein Publikum offenbar ganz genau, denn es dankte den Spieler:innen, dem Team mit stehendem Applaus! Darstellerisch zu glänzen vermochten Lars Fabian, Philip Leenders und Ruth Kennecke.

Ebenfalls eine bedingte Empfehlung verdient im Malersaal „Die Marquise von O“, eine das Publikum gar nicht weniger als die Darstellerin fordernde Text-Nacherzählung der Kleistschen Novelle. Allein diesen „Riemen“ zu bewältigen und – wünschenswerterweise mit nicht so gleichbleibend hoher Reisegeschwindigkeit – abzuarbeiten, nötigt allen Respekt vor der Leistung von Spielerin Pia Noll ab. Ja, die bieten immerhin Vielfalt im Schlosstheater!

Bleibt zu hoffen, dass das Celler Theater von weiteren Vorstellungsabsagen verschont bleiben und bald in den Genuss der Energiehilfe aus dem Kultusministerium kommen möge.

GEPUNKT

Foto: Marie Liebig