Ratsmehrheit gegen Baumschutzsatzung – Kettensägenmassaker auch in der 77er

Umkämpft ist nach wie vor die Breite Straße. Eigentlich geht es ja um Grundsätzliches: Es steht ein technischer „State of the Art“-Ansatz, also „Schwammstadt“, gegen eine Perspektive der Erhaltung des Gewachsenen. Die Frage ist: Taugt der angebliche Fortschritt für Lebensqualität? Und wäre die nicht besser erreichbar, wenn ein Großteil der parkenden Autos verschwinden würde?

Nun ist leider offensichtlich, dass die Machtverhältnisse dergestalt sind, dass vom Oberbürgermeister nur noch ein freundlich formuliertes Basta kommt.

Die Celler Klimaplattform (CKP) hatte im Oktober dem Oberbürgermeister eine Petition zum Erhalt der Linden in der Breiten Straße übergeben. Im Anschluss wandte sich die CKP mit einem Schreiben an Dr. Jörg Nigge, um noch einmal einige Aspekte anzusprechen.

Die CKP warf z.B. folgende Frage auf: „Durch welche demokratischen Prozesse sehen Sie die Entscheidung zwischen den vorliegenden Varianten der Sanierung (inkl. der unabhängig ausgearbeiteten Alternativen) legitimiert?“

Die Antwort des Oberbürgermeisters: „Die Planungen zum Umbau der Breiten Straße begannen im vergangenen Jahr. Im weiteren Verlauf der Planungen hat es eine umfangreiche und über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinausgehende Politik- und Öffentlichkeitsbeteiligung im Hinblick auf die vor Ort betroffenen Anwohner gegeben. […] Am Ende bedeutet Demokratie nach meinem Verständnis aber auch, mehrheitlich getroffene Entscheidungen von durch Bürgerinnen und Bürger in öffentlicher Wahl gewählten Volksvertretern auch dann zu akzeptieren, wenn sie nicht den eigenen Überzeugungen entsprechen.“

Eine Entscheidung im Rat aber hat es ja nicht gegeben, sondern nur die Verhinderung einer Entscheidung, die das Verwaltungshandeln „legitimiert“.
Bürger:innen, die den Erhalt des alten Baumbestands wollen, sehen sich so gezwungen, kleinteiliger zu argumentieren. So ging es im Schreiben der CKP im weiteren darum, dass die Stadt bisher kein Artenschutzgutachten vorgelegt habe. Wie nicht anders zu erwarten, antwortet die Fachverwaltung, dass es das selbstverständlich zeitnah zu den Fällungen geben wird.

Weiter wies die Klimaplattform darauf hin, dass der Eintrag der Breiten Straße im Denkmalschutzregister geändert wurde. Im August wurde folgender Satz aus der sogenannten Denkmalbegründung gestrichen: „Hinzu kommt die beidseitige Bepflanzung mit Baumreihen, an deren Erhaltung aus ortsgeschichtlichen Gründen und wegen der straßenbildprägenden Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht.“

Die Beschwerde einer Bürgerin an die Stadtverwaltung vermutet so plausibel: „Somit scheint der Sinn der Änderung des Eintrags im Niedersächsischen Denkmalatlas darin zu liegen, die „Fäll-Absichten“ der Stadtverwaltung (Realisierung der Planungsvariante 2b) rechtfertigen zu können.“

Eine Antwort steht noch aus.

Wo Bäume den „Fortschritt“ und die „Entwicklung“ stören, müssen sie halt weg. So auch bei einer neuen „Baustelle“. Für das Projekt „Hilton-Hotel“ an der 77er-Straße sollen Amerikanische Roteichen am Straßenrand gefällt werden. Sie wären – so die Verwaltung – „keine optimalen Straßenbäume und dort nicht standortgerecht gepflanzt“. Es gebe einen „erhöhten Bedarf an Verkehrssicherungsmaßnahmen“. Letztlich geht es aber darum, dass der Investor jeden Quadratmeter Grundfläche in Rendite verwandeln will.

Da hier und überall, wo es um Kapitalverwertungsinteressen geht, eine Baumschutzsatzung stört, egal wie abgespeckt und „light“ auch immer, lehnte eine Mehrheit aus CDU/FDP/Unabhängige und AfD es ab, eine solche in Kraft zu setzen (einziger Abweichler: Kalli Struck). Wieder mal eine Mehrheit durch die Stimmen der AfD übrigens.

Wer sich das argumentative Elend anhören mag – auf Rats-TV Celle (youtube) ab Minute 30:07 bis 1:26:30.

Der Protest in Neuenhäusen geht weiter: jeden Mittwoch gibt’s ab 17 Uhr „Breite Spaziergänge“, Start: Ecke Breite Straße – Jägerstraße.

Zum Foto:

Über 1.600 Menschen haben die Petition zum Erhalt der alten Lindenallee unterschrieben, mit 1.207 Personen aus Celle wurde diese zum 15. September mit über 120 % des Quorums erfolgreich beendet. Am 28. September übergaben Anwohnende, Vertreterinnen und Vertreter der Celler Klimaplattform und der Ökologie AG der Solidarischen Initiative Neuenhäusen die Unterschriften an Oberbürgermeister Dr. Jörg Nigge.