Doppel-Wumms und Gaspreisbremse – Ungleichheit bleibt

Die sogenannte Gaspreisbremse ist vor allem auch eine Art Beruhigungspille für Verbraucher:innen. Die bittere Wahrheit ist: Gegenüber 2020 wird sich der Preis in jedem Fall verdoppeln. Der Gasmarkt ist aber schon heute völlig verrückt. Bei uns in Celle können sich Kund:innen der Stadtwerke noch ins Fäustchen lachen. Sie zahlen aktuell noch 6,99 Cent pro kWh Brutto, während die Tarife beim Grundversorger SVO zwischenzeitlich von knapp 10 Cent auf 17,24 bzw. 17,46 Cent gestiegen sind. Wie kommt das? Anscheinend hat der Einkauf bei den Stadtwerken bessere Verträge abgeschlossen als die SVO, aber auch die hat im bundesweiten Vergleich noch moderate Preise. Bei der SVO kam und kommt ein Problem hinzu:
Etliche Discountanbieter haben sich aus dem Haushaltskundengeschäft zurückgezogen und die Strom- und Gaslieferungen eingestellt. Die SVO musste als Grundversorger – also als das Unternehmen mit den meisten Haushaltskund:innen im Netzgebiet – diese Kund:innen übernehmen. Sie muss kurzfristig große Energiemengen zu sehr hohen Preisen nachbeschaffen, muss dies aber aus rechtlichen Gründen auf alle umlegen.
Wir haben also aktuell die Situation, dass bei den Kund:innen der Stadtwerke noch nichts gedeckelt werden muss, während bei SVO-Kund:innen der „Deckel“ eine Entlastung bringen wird.

„Rucksack“ bei SVO und Stadtwerken

Trotz der konsequenten Liberalisierung des Gasmarktes vor 15 Jahren sind bundesweit noch heute rund 50 Prozent der Haushalte beim Grundversorger, in Stadt und Landkreis Celle also bei der SVO. Die SVO ist also auch heute noch der Platzhirsch – auf der Webseite gibt sie an, mehr als 80 % der Haushalte in Uelzen und Celle zu beliefern. Die Stadtwerke Celle sind seit 2014 als Händlerin auf dem Strom- und Gasmarkt aktiv; über die Zahl der Kund:innen ist öffentlich nichts bekannt.

Beide Unternehmen kommunizieren, dass sie aufgrund vorausschauender und langfristiger Einkaufspolitik ihre Preise noch bis ins Jahr 2024 hinein relativ stabil halten können. Man habe gewissermaßen einen „Rucksack“, aus dem die Kund:innen noch vergleichsweise günstig versorgt werden könnten. Für die allermeisten Kund:innen im Raum ist das (inklusive der sogenannten Gaspreisbremse) eine gute Nachricht.

Eine Rückkehr zu Vorkriegspreisen aber wird es nicht geben. Zu „billig“ war das russische Gas im Vergleich zu den einspringenden europäischen Lieferanten und insbesondere zum steigenden Anteil der LNG-Ankäufe. Im Winter 2024/25 ist also eher mit einer Verdreifachung der Haushaltspreise gegenüber 2019/2020 zu rechnen.

Überforderte Normalverdiener:innen

In unserer Region überfordern derartige Energiepreissteigerungen rund Zweidrittel der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen. Denn die verdienen – siehe Tabelle – unter 30.000 Euro brutto im Jahr, d.h. sie haben monatliche Nettoeinkommen von unter 2.200 Euro. Ohne Gaspreisbremse wären viele dieser Haushalte nicht in der Lage gewesen, ihre Energiekosten zu bezahlen.

Die Übernahme des Dezemberabschlags durch den Staat wird die zu erwartenden Nachzahlungen bei den Jahresabrechnungen mildern, die im Januar oder Februar kommen. Die Wirkung ist aber sehr ungleich: Stadtwerke-Kund:innen könnten sich aktuell dadurch sogar auf eine Rückzahlung freuen. Bei SVO-Kund:innen kann dadurch aber gerade mal die Erhöhung eines Monats ausgeglichen werden.

Es stellt sich schon die Frage, warum z.B. Einkommensbezieher:innen ab 50.000 Euro in gleicher Weise „entlastet“ werden müssen. Für viele Mieter:innen ist die Übernahme einer Monatsrechnung zu wenig, für Villenbesitzer:innen ein unnötiges Geschenk.

Das Ressentiment richtet sich aber eher nicht gegen Reiche, sondern gegen Empfänger:innen von Transferleistungen – also „Bürgergeld“ oder Asylbewerberleistungsgesetz – weil dort die Energiekosten übernommen würden. Hierzu folgende Anmerkungen: 1.) Die Stromkosten, die ja auch erheblich gestiegen sind, sind aus der Regelleistung zu bezahlen. 2.) Die Übernehme der Heizkosten ist im Gesetz mit dem Hinweis „angemessen“ versehen. Es ist abzuwarten, wie die Behörden hier die Gaspreisbremse auslegen – also ob sie die Leistungen auf den 80 % des sich aus der Abschlagszahlung ergebenden Verbrauchs vom September 2022 einfrieren.

Übrigens: Fast 25 % der Privathaushalten heizen mit Öl. Trotz einer Verdreifachung der Preise seit Jahresbeginn profitieren sie von den Regelungen überhaupt nicht.

Einzelhandel kritisiert, Industrie lobt

Aus Handel und Gastronomie gibt es Kritik an der Ausgestaltung, vor allem weil der Deckel erst ab März, also gegen Ende der Heizperiode greift und die Einmalzahlung nicht die nötige Kompensation biete. Gravierender aber dürften sich die inflationsbedingte Konsumzurückhaltung im Weihnachtsgeschäft auswirken.

Die Industrie erhält für ein Verbrauchskontigent von 70 Prozent des Jahresverbrauchs 2021 einen gedeckelten Gas-Arbeitspreis von 7 Cent pro Kilowattstunde (vor Steuern, Abgaben und Umlagen). Kein Wunder, dass der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht in dem Vorschlag der Expertenkommission ein „starkes Signal“ sieht und er „insgesamt positiv zu bewerten“ sei.