Thomas Ebermann kommt am 31. März nach Celle – „Kritik der Bedürfnisse“

Waren wir nicht schon einmal weiter, auch und gerade hinsichtlich der Wachstums- und Fortschrittsgewissheiten der alten (und neuen) Linken? Den Älteren unter unseren Leser:innen werden die Namen Günther Anders, Andre Gorz oder Ivan Illich noch etwas sagen. Und die ökologische Krise war mit der Studie „Grenzen des Wachstums“ jenseits der bornierten Standpunkte von DKP und ML-Parteien unhintergehbar.

Am interessantesten nachvollziehbar ist dies vielleicht am „Kommunistischen Bund“, dem sogenannten KB-Nord, der vor allem über seine Zeitschrift „Arbeiterkampf“ (heute „Analyse & Kritik“) die ökologischen Diskurse aufgriff. 1980 trennte sich die „Gruppe Z“ vom KB, deren danach prominentesten Protagonisten Thomas Ebermann, Rainer Trampert und Jürgen Reents waren. Mit der Gründung der Grünen bildeten sie den öko-sozialistischen Flügel der Partei, der – nebenbei – bis 1990 auch den Celler Kreisverband dominierte. Bei den Grünen waren Ebermann und Reents dann Bundestagsabgeordnete, Trampert war zusammen mit Jutta Ditfurth Parteisprecher (= Parteivorsitzender).

1984 erschien von Trampert und Ebermann das Buch „Die Zukunft der Grünen. Ein realistisches Konzept für eine radikale Partei“. Hätte es nicht diesen zeitgeistigen Titel würde es vielleicht heute als Grundlagenwerk für die ökosozialistische Linke in Deutschland wahrgenommen werden.
Auch ohne (seinerzeit) gesicherte Kenntnisse zur Erderhitzung hieß es in den ersten vier von zwölf Thesen zur „Ökologischen Krise und gesellschaftlichen Umwälzung“:

„1. Die Menschheit zerstört gegenwärtig ihre natürlichen Lebensgrundlagen.
2. Die Zerstörung hat offensichtlich mit den inneren Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus zu tun (Zwang zu Wachstum, Akkumulation, rücksichtslos aus Gründen von Profit, Konkurrenz). Dieser muss überwunden werden.
3. Der real existierende Sozialismus beweist, dass eine bestimmte Überwindung des Kapitalismus, die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln, keine Lösung der Krise der äußeren Natur erbringt.
4. Die notwendige Rettung menschlicher Lebensbedingungen in der äußeren Natur erfordert einschneidende Veränderungen in der Produktion und damit in den Konsumgewohnheiten der Mehrheit der Menschen in den industriellen Metropolen."

Die Erkenntnis, dass dies für die Partei Die Grünen dann doch kein „realistisches Konzept“ war, führte 1990 zum Abschied der ökosozialistischen Fraktion.
Nun waren Trampert und Ebermann schon 1984 „schlau“ genug, nicht auf irgendwelche parlamentarischen Mehrheiten zu schauen. Sie stellten sich die (gerade wieder sehr aktuell gewordene) Frage, welcher Weg eine Gesellschaft „ökologischer Vernunft“ ermöglicht, „ohne despotisch-diktatorische Maßnahmen des Staates gegen die Menschen.“

Im Jahr des Erscheinens des Buches zeigten mehrwöchige Streiks für die 35-Stunden-Arbeitswoche durch die IG Druck und die IG Metall (fast ein letztes Mal) eine anti-produktionistische Stoßrichtung. Es war deshalb nicht gänzlich aus der Zeit gefallen, dass Trampert/Ebermann die Antworten auf der Ebene von Bedürfnissystemen suchten, zumal auch die Alternativbewegung gerade auf ihrem Höhepunkt war.

In These 9 heißt es: „Radikale Bedürfnisse, die etwas anderes sind als eine Kopie der Lebens- und Konsumbedingungen der herrschenden Klasse, die u.a. auf menschliche Kreativität, Gesellschaftlichkeit, Naturgenuß etc. zielen, bilden schon heute Motive der Rebellion gegen dieses System.“

Und Trampert/Ebermann zogen den Schluss: „Wenn es richtig ist, was Marx sagt, […] daß eine radikale Revolution nur die Revolution der radikalen Bedürfnisse sein kann, dann müssen wir uns auf die Suche machen, welche radikalen Bedürfnisse viele Menschen empfinden oder entfalten wollen [...] und so als Motiv zur Umwälzung wirken.“

Wie schon bei 68er-Bewegung kam nicht mehr heraus als eine Modernisierung der bürgerlichen Gesellschaft und einer Verbesserung der Verwertungsbedingungen des „Humankapitals“. Was ja aber nicht bedeuten muss, die Idee „radikaler Bedürfnisse“ zu entsorgen.

Thomas Ebermann knüpft in seinen Überlegungen zu Möglichkeiten gesellschaftlicher Transformation in Vorträgen jetzt an die Thesen der 1980er Jahre an - in Orientierung an Theorien von Agnes Heller, Karl Marx, Theodor W. Adorno und Herbert Marcuse. Und ein Gedanke von Adorno hat ja auch eine brisante Aktualität gewonnen: Es müssen nicht alle Räder laufen.

Am Freitag, 31. März 2023, kommt er mit seiner „Kritik der Bedürfnisse“ nach Celle: 18.00 Uhr, vhs Celle (Saal), Trift 20, Eintritt frei. Veranstalter ist die RLS Niedersachsen.