Vortragsveranstaltungen mit Prof. Dr. Birgit Mahnkopf und Ulrike Herrmann

Es müssen nicht al„Hatte Marx doch recht?“ titelte der SPIEGEL zu Jahresbeginn, um gleich den „tröstlichen“ Untertitel hinterherzuschicken: „Warum der Kapitalismus so nicht mehr funktioniert — und wie er sich erneuern lässt.“ Das es mit einer „Erneuerung“ nicht getan sein wird angesichts von Klimakatastrophe und Artensterben, werden Ende Februar/Anfang März in Veranstaltungen in Celle erläutern: Birgt Mahnkopf und Ulrike Herrmann.
Mahnkopf ist emeritierte Professorin für Europäische Gesellschaftspolitik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Zusammen mit Elmar Alt­vater hat sie 1996 die „Grenzen der Globalisierung“ ana­lysiert. Im letzten Jahrzehnt hat sie sich intensiv mit der Frage beschäftigt, ob in wachstumsorientierte Wirtschaftsmodellen die ökologischen Krisen bearbeitet werden können.

Ihre Antwort ist, genau wie die der taz-Journalistin und Bestseller-Autorin Ulrike Herrmann: Nein! Herrmanns Buch „Das Ende des Kapitalismus“ haben wir im letzten Heft kritisch rezensiert. Im Buch kommt sie zu dem folgendem Ergebnis:

Die Industrielän­der müssten sich vom Kapitalismus verabschieden und eine Kreislaufwirtschaft anstreben, in der nur noch verbraucht wird, was sich recyceln lässt. Es gehe um „grünes Schrumpfen“. Als Modell, das dies ermöglichen würde, diskutiert sie die britische Kriegswirtschaft ab 1940, die demokratisch geplante Rationierung zur Grundlage hatte. - Da gibt es Übereinstimmungen mit Birgit Mahnkopf, wie nebenstehender Interviewauszug zeigt.

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Freitag, 24. Februar, 18.30 Uhr, vhs Celle (Saal)
Prof. Dr. Birgit Mahnkopf, Berlin
"Zur Kritik des Green New Deal: „Klimaneutralität“ und „grünes Wachstum“ auf dem Prüfstand"
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Donnerstag, 9. März. 18.00 Uhr. Kunst und Bühne
Ulrike Herrmann, Berlin
Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden
Der Eintritt zu beiden Veranstaltungen. Mitveranstalterin ist in beiden Fällen die RLS Niedersachsen. Zur Veranstaltung mit Ulrike Herrmann lädt daneben u.a. der DGB Nordost-Niedersachsen ein.

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Birgit Mahnkopf: Wir brauchen eine gesteuerte Sparsamkeit

In den Umweltbewegungen werden ja meistens die Konsumerwartungen der vielen thematisiert. Aber sind die Kapitalinteressen der wenigen nicht viel entscheidender?

Diese beiden Aspekte lassen sich nicht voneinander trennen. Wir leben in einer Warengesellschaft, in der nicht nach essenziellen Bedürfnissen und Notwendigkeiten, sondern allein danach gefragt wird, wie eine hergestellte Ware abgesetzt wird. Profite müssen generiert und reinvestiert werden. Die Konsument:innen sind ein elementarer Bestandteil dieses Systems, und «consumere» hat, daran sei hier erinnert, im Lateinischen auch die Bedeutung «zerstören». Etwas wird aufgebraucht. Das ist im Kapitalismus unverzichtbar – ohne Konsum weder Profit noch Produktion. Es kann also keine Rede davon sein, dass Konsuminteressen schlimmer oder weniger schlimm seien als Profitinteressen. Die Ware hat diese beiden Seiten. Wenn sie nicht konsumiert wird, erzeugt sie keinen Profit. Die radikale Alternative – weniger von allem – stellt sowohl für die Kapitaleigner:innen als auch für die Konsument:nnen eine Bedrohung dar. Wir haben es also mit einer problematischen Liaison zwischen den Profiteur:innen dieser Gesellschaftsformation und denjenigen zu tun, die eigentlich ein Interesse an Veränderungen haben müssten. [...] Zumindest in Europa wissen wohl die meisten Menschen, dass etwas und was grundlegend geändert werden müsste, wenn tatsächlich eine halbwegs nachhaltige Produktions-, Verkehrs- und Lebensweise angestrebt würde. [...] Unstrittig aber dürfte sein, dass Pläne und viele Verhandlungen an die Stelle des Marktes treten müssten.

Also Planwirtschaft?

Es stimmt natürlich, dass es in der Vergangenheit fehlgeleitete Planwirtschaften gab. Trotzdem sind Pläne notwendig, wenn Gesellschaften mit physischem Mangel und mit geopolitischer Knappheit konfrontiert sind und wenn es darum geht, sozial gerecht und friedlich mit diesen unvermeidlichen Konstellationen umzugehen. Dann braucht man zwangsläufig Rationierung. Ich verwende diesen Begriff, bei dem alle zusammenzucken, ganz bewusst, um deutlich zu machen: Wenn Wasser, fruchtbares Land und viele Metalle zu knappen Ressourcen werden, dann muss es Verhandlungen und global gerechte Entscheidungen darüber geben, wofür sie verwendet werden sollen.

Klima und Markt : «Wir brauchen eine gesteuerte Sparsamkeit»; in: WOZ - Die Wochenzeitung, 15. Juli 2021le Räder laufen