Ein Jahr Mitte-Links-Mehrheit im Kreistag / Interview mit Reinhard Rohde (Die Linke)

Das Ergebnis der Kommunalwahlen vor gut einem Jahr hat im Kreistag für neue Mehrheitsverhältnisse ge­sorgt. Die „Gruppe für Fortschritt“ hat 32 von 59 Sitzen, neben den Ampel-Parteien gehören Abgeordnete der Wählergemeinschaft sowie Einzelabgeordnete von Die Linke, Die Partei und der Christlich Demokratischen Wählergemeinschaft (CDW). Wir haben Reinhard Roh­de (Die Linke) einige Fragen zur Bilanz des ersten Jah­res gestellt.

??: Viele werden ein bisschen überrascht gewesen sein, als z.B. CelleHeute titelte „Lob von ganz links“. Das be­zog sich auf eine Passage deiner Landtagsrede in Bezug auf den Landrat Axel Flader.

!!: In meiner Rede zum Haushalt habe ich die Trendwen­de in Sachen Klimaschutzpolitik hervorgehoben, die sich z.B. im Stellenplan und in Investitionsmaßnahmen spie­gelt. Habe dann aber eingeräumt, dass das nicht allein der neuen Mehrheit geschuldet ist, sondern auch Axel Flader, der bekanntlich ein CDU-Parteibuch hat, daran einen Anteil hat.

??: Kannst du das mal konkretisieren?

!!: Die Kreisverwaltung unter dem alten Landrat Wiswe hat, begleitet von einer Mitte-Rechts-Mehrheit, Klima­maßnahmen im besten Fall mit Blick auf die eigenen Liegenschaften gemacht und das immer noch abhängig vom Faktor „Wirtschaftlichkeit“. Und alles, was darüber hinaus seit über 10 Jahren von z.B. B’90/Die Grünen und Die Linke eingefordert wurde, ist abgelehnt worden. Und jetzt auf einmal läuft’s. Es gibt ein beim Landrat an­gesiedeltes Klimaschutzreferat mit drei Stellen. Der Hochbau, wo in den nächsten Jahren einige Schulneu­bauten anstehen, geht energetisch in Richtung der aktuel­len High-End-Standards. In Sachen Öffentlicher Nahver­kehr ist eine Bereitschaft zu deutlichen Verbesserungen vorhanden. Und der Landrat mauert dabei nicht, sondern ergreift selbst Initiativen.

??: Der Landkreis ist aus deiner Sicht also auf einem guten Weg?

!!: Im Vergleich niedersächsischer Landkreise setzen wir uns – um mal ein Sportbild zu benutzen – gerade aus der Abstiegszone ab. Gleichzeitig hat die „Ergebnispräsentation zu Treibhausgasbilanzierung und Potentialanalyse“ zuletzt im Klimaausschuss aufgezeigt, welch gravierende Transformation vor uns liegt. Und vor allen Dingen, in welch kurzen Zeiträumen sie gelingen muss. „Die letzte Generation“, das habe ich auch in der Kreistagsrede gesagt, sind eher nicht jene, die sich auf Straßen festkleben. Auf der kommunalpolitischen Ebene sitzt die letzte Generation gerade in den Gemeinderäten bzw. im Kreistag, die letzte Generation nämlich, der es im lokalen Verantwortungsbereich möglich ist, die Wei­chen dafür zu stellen, die für Deutschland erforderliche Treibhausgasreduzierung wenigstens für das 2-Grad-Ziel hinzubekommen. Dass ich – nicht nur global, sondern auch kommunal – mehr als skeptisch bin, will ich nicht verhehlen.

??: Die nächste große Hürde ist die Attraktivitätssteige­rung beim ÖPNV, die auch noch dieses Jahr eine Hürde zu nehmen hat.

!!: Ja, es wird eine Neuvergabe erfolgen für den ÖPNV ab März 2025. Da ist dann die Frage, was sich der Kreistag da leisten will. Aktuell erhöht jede Verbesserung den Zuschussbedarf. Dass das nicht so bleiben muss, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Solange der Privat-PKW nicht das alles dominierende Verkehrsmittel war, konnte der ÖPNV gewinnbringend betrieben werden. Und so surreal das heute klingen mag: In 15 Jahren müs­sen wir das Verhältnis auch in Stadt und Landkreis Celle wieder umgedreht haben.

??: Noch ein kurzer Blick auf die Sozialpolitik. Gibt’s Maßnahmen seitens des Kreises hinsichtlich Inflation und Energiepreise?

!!: Positiv ist, dass für die Bearbeitung von Wohngeldan­trägen fünf zusätzliche Stellen geschaffen wurden. So können wir auf eine zügige Bearbeitung hoffen. Die ab Januar geltende Wohngeldtabelle bringt für große Fami­lien eine deutliche Verbesserung, so dass sich die in vie­len Fällen bestehende Kostenlücke schließen dürfte. Und es wird im Landkreis einen „Härtefall“-Fonds geben, wo aktuell aber noch nicht abschließend geklärt ist, wie er zwischen den gesetzlichen Regelungen greifen kann.

??: Abschließend. Wie gestaltet sich für dich die Zusam­menarbeit im „Klimabündnis“ und in der „Gruppe für Fortschritt“?

!!: Vielleicht mal vorab zur Erläuterung – die Abgeord­neten von B’90/Die Grünen, Die Partei und Die Linke, zusammen neun Leute, bilden die Fraktion „Klimabünd­nis.“ Das ist für mich der wesentliche Arbeitszusammen­hang. Und da wir Bundes- und Landespolitik gänzlich außen vor lassen können – und das auch machen, ist die Zusammenarbeit sehr gut, auch weil sich wirklich viel Kompetenz versammelt, verbunden mit kommunalpoliti­scher „Nerd“igkeit. – Die „Gruppe für Fortschritt“ orga­nisiert sich über die Ebene der Fraktionsvorsitzenden. Das läuft im Großen Ganzen auch rund, aber dass die WG-Fraktion sich beim Stellenplan enthalten hat, zeigt, dass es hier und da noch „Stress“ geben kann.