Wohnraumgutachten prognostiziert Bedarfe für Landkreis Celle bis 2040

Bei einem scheint sich die Mitte-Links-Parteienland­schaft einig zu sein: mehr sozialer Wohnungsbau. Was im unhaltbaren Ziel der Ampel-Regierung mündete, den Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr hinzubekommen. Die ökologische Linke hat damit ein Problem: Bezahlba­rer Wohnraum ja, Neubau nein. Und im wirklichen Le­ben werden für Vermögende und Bestverdiener-Haushalte Einfamilienhausgebiete ausgewiesen und Ei­gentumswohnungen fertiggestellt, die sich die „hart ar­beitende Mittelschicht“ nicht leisten kann.

Ein „Wohnraumversorgungskonzept für den Land­kreis Celle“, erstellt von der Hamburger Firma GEWOS, bietet jetzt eine Datenbasis für die politische und gesellschaftliche Diskussion. Die Empfehlungen werden insbesondere dem Celler Oberbürgermeister Nigge gar nicht gefallen. Seine sogenannte „Wohnungsbau-Offensive“ im Eigenheim-Sektor schießt weit übers Ziel hinaus. Und dabei berücksichtigt das Gutachten ökologische Aspekte nur am Rande. Wir stellen wesentliche Eckpunkte vor.

Welcher Wohnraumbedarf entsteht bis 2040 im Landkreises Celle?

Bestimmen lässt sich dies vor allem aufgrund einer Prognose zur Entwicklung der Zahl der Haushalte. (Dass ereignisbedingte Veränderungen, z.B. durch Kriegs- und/ oder Klimaflüchtlinge, da nie einfließen, sei nur als Fuß­note angemerkt.) Das Ergebnis dürfte Wachstumsfeti-schist:innen enttäuschen.

Bis zum Jahr 2030 soll danach die Bevölkerung jährlich um rund 250 Personen wachsen, in den zehn folgenden Jah­ren beläuft sich der mittlere Anstieg auf rund 120 Perso­nen – im gesamten Landkreis. Der größten prozentualen Bevölkerungszuwachs bis 2024 wird für die Gemeinde Hambühren mit rund 1.400 Personen (+12,9 %) prognos­tiziert, gefolgt von den Gemeinden Wietze (+8,4 %) und Winsen (+5,3 %). Bevölkerungsanstiege werden auch für Lachendorf (+3,8 %), Bergen und Wathlingen (je +2,0 %), Flotwedel (+1,6 %) sowie Faßberg (+1,3%) erwartet. Bevöl­kerungsrückgänge werden dage­gen für Eschede (-2,8 %) und Süd­heide (-1,0 %) ausgewiesen. Auch in der Stadt Celle (-0,3 %) wird sich die Bevölkerung leicht rück­läufig entwickeln und im Jahr 2040 auf einem ähnlichen Niveau sein wie heute. Die Haushaltszah­len würden sich – prozentual je­weils leicht höher – ähnlich entwi­ckeln. Für die Stadt Celle wird ein Rückgang um 0,9 % prognosti­ziert.

Für alte Woh­nungsbestände stelle sich – so die Gutachterinnen – die Frage, ob sich Sa­nierungsmaßnahmen „lohnen“ oder der Ersatz-Neubau die „wirtschaftlichere“ Alterna­tive ist. Und so entstehen sogenannte Ersatzbedarfe, also für jede durch Abriss verwindende Wohnung soll eine Naubauwohnung her. (Dass deren Zahl abhängig ist von Förderprogrammen und auch gesellschaftlichen Vorstellungen, z.B. ökologi­schem Bewusstsein, spielt für die Prognose kaum eine Rolle.)

So ergibt sich z.B. für die Stadt Celle aufgrund der Haushaltsprognose zwar kein Neubaubedarf, aber auf­grund eines hohen Ersatzbedarfs müssten in der Stadt Celle bis zum Jahr 2040 rund 670 Wohnungen errichtet werden. Für die übrigen Gemeinden gibt die Tabelle un­ten rechts Auskunft. Unterm Strich ergeben sich 4.050 Neubaubedarfe bis 2040, davon Ersatzbedarfe (rd. 2.260) und Zusatzbedarfe (rd. 1.790). Der vergleichswei­se niedrigste quantitative Bedarf entsteht zwischen 2025 und 2030 mit rund 800 Wohneinheiten, der größte Be­darf mit rund 1.310 Wohneinheiten im Zeitraum von 2035 bis 2040, da sich in diesem Zeitraum insbesondere auch die Ersatzbedarfe in der Stadt Celle zeigen.

Und was soll gebaut werden?

81 % der zu errichtenden Wohnungen sollen als Ein- und Zweifamilienhäusern entstehen. Lediglich jede fünf­te Wohnung wäre entsprechend im Rahmen von Mehrfa­milienhäusern zu planen. Aber: Den höchsten Anteil an Neubaubedarfen im Segment der Mehrfamilienhäuser weist die Stadt Celle auf (53 %), wobei es sich aus­schließlich um Ersatzbedarfe handelt.

Aber es geht ja nicht nur um Wohnraum, sondern auch um bezahlbaren Wohnraum. Wie äußert sich das Gutachten dazu?

„Die Wohnungsmarktsituation hat sich im Landkreis Celle in den vergangenen Jahren angespannt. Vor die­sem Hintergrund ist die Bereitstellung eines ausreichen­den Angebots an Wohnraum für einkommensschwache Haushalte, die auf dem freien Wohnungsmarkt nur unter Schwierigkeiten Wohnungen erhalten können, ein zen­trales Element einer ausgewogenen Wohnungsmarkt­steuerung. Dem Segment der öffentlich geförderten Wohnungen kommt daher eine hohe Bedeutung zu.“

Doch die Entwicklung ist gegenläufig. „Das Angebot an geförderten Wohnungen ist im Landkreis von 917 im Jahr 2011 um 46 % auf 498 im Jahr 2021 zurückgegan­gen, obwohl in dem Zeitraum insgesamt 68 Ersatzwoh­nungen für ausgelaufene Bindungen geschaffen wurden. Von den 498 Wohnungen im Jahr 2021 ist der weit über­wiegende Teil (347 Wohnungen) in der Kreisstadt Celle verortet, gefolgt von den Gemeinden Eschede (38) und Wietze (32). Ohne die Neuschaffung von gefördertem Wohnraum wird die Zahl der geförderten Wohnungen durch das Auslaufen weiterer Sozialbindungen bis 2030 deutlich abnehmen. In der Kreisstadt Celle würde sich der Bestand in 2030 um knapp ein Viertel (22 %) redu­zieren.“

Für die Gutachterinnen folgt daraus, dass insbesonde­re in den Gemeinden mit einer positiven Haushaltspro­gnose das Angebot an gefördertem Wohnraum aufge­stockt werden muss, „da nicht davon ausgegangen wer­den kann, dass die steigenden Haushaltszahlen lediglich aus einem Anstieg finanzstarker Haushalte resultieren.“ So weisen die Gemeinden im Südwesten (Wietze und Hambühren) einen hohen Bedarf an gefördertem Wohn­raum auf. Für die Nachbargemeinden Winsen und Celle sowie die Gemeinden Lachendorf, Flotwedel und Wath­lingen wird ein mittlerer Förderbedarf identifiziert, wo­gegen die Gemeinden im Norden des Landkreises einen geringen Förderbedarf aufweisen.

Die Handlungsempfehlungen sind nicht gerade ambi­tioniert, insbesondere weil ökologische Gesichtspunkte kaum eine Rolle spielen:

• Prüfung von Ersatzneubau gegenüber (kostenin­tensiveren) Sanierungsmaßnahmen
• Ersatzneubau in höherer Dichte
• Nachverdichtung/Baulückenprogramm auch zur Stärkung bestehender Siedlungsräume
• Bereitstellung zusätzlicher Flächen (gemischte Quartiere aber insbesondere Eigenheime in ver­dichteter Bauweise)
• Barrierearme Wohnungen auch zur Förderung des Generationenwechsels und als Alternative zum Eigenheim
• Jung kauft Alt.

Interessant: „Jung kauft Alt“

In der Celler Diskussion hat ein entsprechender Vor­schlag der Fraktion „Die Linke/BSG“, 2017 eingebracht, von der Verwaltung abgelehnt worden. Vielleicht sollte die „Fraktion für Vielfalt und Nachhaltigkeit“ vor dem Hintergrund des Gutachtens ein solches Programm er­neut beantragen. Worum geht es?

„Die Modernisierung von älteren Eigenheimen er­folgt oftmals bei Eigentümerwechsel. [...] Allerdings be­stehen oftmals Vorbehalte gegenüber Bestandsobjekten. Viele Eigentumsbildner können nicht abschätzen, welche Kosten für die Sanierung und Modernisierung des Be­standsgebäudes bestehen und greifen daher lieber zu ei­nem Neubauobjekt. Ziel sollte es daher sein, Hemm­schwellen beim Ankauf von Bestandsobjekten abzubau­en. [...]

In einigen Kommunen in Deutschland wurde das För­derprogramm „Jung kauft Alt“ initiiert. Ziel ist es, einen Überhang an Altimmobilien auf den Wohnungsmarkt zu verhindern. Um die Nutzungsmöglichkeiten und die da­mit verbundenen Umbau- und Sanierungskosten von Be­standsimmobilien fachkundig abschätzen zu lassen, för­dert die jeweilige Gemeinde die Erstellung eines Altbau-Gutachtens. Im Rahmen des Programms wird die Orts­begehung, Bestandsaufnahme, Modernisierungsempfeh­lung und Kostenabschätzung bezuschusst. Darüber ist es sinnvoll, den älteren Ein- und Zweifamilienhausbestand so zu vermarkten, dass dieser Wohnungsbestand auch für junge Familien interessant wird.“

Quelle: Wohnraumversorgungskonzept für den Landkreis Celle, von GEWOS Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung GmbH, Hamburg --- Eine Präsentation fin­det sich im Bürgerinformationssystem des Landkreises zur Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Kultur, Tourismus und Digitalisierung vom 01.09.2022.

Als Zusatzinformation wollen wir empfehlen den Aufsatz "Umverteilung statt Neubau. Skizze einer sozialökologi­schen Wohnungspolitik"; siehe: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/bauen-und-wohnen-2022/