Feministischer Austausch zur „Bewegungsgeschichte“ in Celle
In den 70er, 80er und 90er Jahren war es anders als heute, nicht leicht möglich Informationen, bspw. über das Internet, offen und einfach zu verbreiten. Als Aktivist:innen der „Feministischen Organisierung: Gemeinsam kämpfen! Für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie“ recherchierten, was es in den letzten Jahrzehnten in Celle an feministischer und frauenbewegter Aktivität gab, stießen sie schnell an Grenzen. Sie waren überzeugt, dass es mehr gegeben haben muss und fragten herum. So kam über persönliche Kontakte eine Gruppe von Frauen zusammen, die teils seit den 70ern in Celle frauenbewegt aktiv waren und die sich darüber freuten, dass das heute Jüngere interessiert. Aus den Gesprächsprotokollen hier nun Ausschnitte zum „Thema Arbeit und Lohn“.
Die Geschlechter-Diskriminierung im Bereich Arbeit und Lohn zieht sich bis in die heutige Zeit. Dieses Jahr war der Equal Pay Day am 7. März, kommendes Jahr wird er auf dem 6. März liegen – nicht etwa, weil sich beim Gender Pay Gap etwas bessert, sondern weil 2024 ein Schaltjahr ist.
Erst im Februar diesen Jahres entschied das Bundesarbeitsgericht, Arbeitgeber:innen können ein höheres Gehalt für einen männlichen Arbeitnehmer nicht allein damit begründen, dass dieser besser verhandelt habe. Der Equal Pay-Grundsatz darf nicht durch den Hinweis auf Verhandlungsgeschick ausgehebelt werden. Alle vorigen Instanzen waren der Klägerin nicht gefolgt, sondern hatten ihre Klage abgewiesen. Das BAG sprach ihr nun auch Entschädigung und Lohnnachzahlung zu.
Die Geschlechter-Ungleichheit in diesem Bereich war im 19. Jahrhundert auf einem Höhepunkt, als Frauen ausschließlich mit der Erlaubnis ihrer Männer sowie zu absoluten Hungerlöhnen etwas dazu verdienen mussten, um ihre Familie ernähren zu können. Sie waren somit zusätzlich einer enormen Doppelbelastung von Haushalt und Arbeit ausgesetzt.
Zu den damaligen Verhältnissen erfahren wir von den Frauen folgendes:
Helga: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ war auch in den 80er Jahren ein großes Thema. Ich habe extra noch mal nachgeguckt: Es war 1977, dass wir Frauen zur Arbeit gehen durften, ohne unsere Ehemänner um Erlaubnis zu bitten.“
Ulrike: „1951 ist überhaupt erst erlaubt worden, dass Lehrerinnen heiraten dürfen.“
Christina: „Die durften sogar den Vertrag kündigen, ohne das mit der Frau abzusprechen. Die durften zu Ihrem Chef gehen und sagen, meine Frau muss jetzt gehen, weil sie ihre Haushaltspflichten verletzt.“
Christina erzählt einen Teil ihrer Geschichte: „Und dann bin ich zum Gymnasium gegangen, hab Abitur gemacht, Ausbildung zur Zahntechnikerin gemacht und in der Ausbildung hab ich ein Kind gekriegt. Und das war jetzt ganz blöd. Das war 1981 und nach der Ausbildung bin ich als einzige von fünf Auszubildenden entlassen worden: Weil ich ein Kind hatte und weil man dann natürlich unterstellen konnte, da geht bestimmt noch eins oder was weiß ich. Und ich habe auch nie eine Anstellung gefunden als Zahntechnikerin. Ich war mehrfach zum Probearbeiten eingeladen und als dann irgendwie rauskam, dass ich ein Kind habe, dann… Ob das jetzt der Hauptgrund war, weiß ich natürlich nicht, aber ich hab das hinterher so interpretiert.“
Conny verdeutlicht nochmal klar, wie die damaligen Verhältnisse waren: „Die Zustände, gerade wenn ihr das so erzählt, das ist vielleicht für die Jüngeren nicht so klar, also es war schon so: Ich muss nichts lernen. Ich muss heiraten, kochen und Kinder kriegen und mich hübsch machen für einen Mann. Da ich das nie gemacht habe, das war immer ein großes Problem. Natürlich brauch ich auch eigentlich nicht zur Schule zu gehen, denn ich heirate ja und Hauptschule würde auf jeden Fall reichen. Trotzdem haben die Lehrer dann gesagt: ‚Nee, geben sie sie bitte auf die Realschule.‘ Ist aber auch Blödsinn, weil man braucht das ja nicht, ich heirate ja – sagen meine Eltern. Ich hab mich danach dann selbstständig auf dem Gymnasium angemeldet. Meine Eltern haben damals wie heute gedacht, ich bewerbe mich irgendwo oder geh ins Büro. Das wollte ich auf keinen Fall.“
Anm. der Red.: Wir hoffen auf Fortsetzungen in den nächsten Heften. – Das Foto ist bei einem Warnstreik 1981 im „Frauen“-Betrieb Telefunken entstanden.