RWLE Möller Stiftung veranstaltete Treffen von Übersetzer:innen mit „Celle-Bezug“

Welch hohe Kunst das Übersetzen ist, wird am Deutlichsten im Scheitern. Wer sich schon mal auf mehrsprachig besetzten Konferenz-Panels in die Simultanübersetzung „eingeschaltet“ hat, dürfte wissen, wovon die Rede ist. Es genügt nicht, alltagstauglich eine Sprache zu beherrschen, um ad hoc Thesen zur kritischen Theorie oder der Klimakatastrophe angemessen zu übersetzen. Und selbst, wer auf sehr gutem Niveau englisch spricht, wird bei Kendrick Lamars Rap im ersten Zugriff gerade mal verstehen, worum es geht.

Literarisches Übersetzen – und darum ging es bei dem Veranstaltungswochenende der RWLE-Möller-Stiftung im März – hat dann nochmal andere Voraussetzungen und Bedingungen. Oskar Ansull brachte mit dem schönen Bild von den „Fährleuten im Sprachfluss“ einige Dimensionen zusammen. Und unsere Vorstellungen von und Urteile über Weltliteratur hängen engstens damit zusammen, was – und auch wie übersetzt wird. Susanne Fischer von der mitveranstaltenden Arno-Schmidt-Stiftung zitierte in ihrer Begrüßungsansprache hierzu aus einem Cartoon: „Das Buch musst Du in der Übersetzung von Harry Rowohlt lesen. Im Original geht da viel verloren.“

In der Eröffnungsveranstaltung im Rittersaal gab Oskar Ansull einen Überblick über 300 Jahre Celler Fährleute. Der Vortragstext „Von Oedipus zu Zettel’s Traum“ ist in der parallel erschienenen 13. Ausgabe der „celler hefte“ nachlesbar. Im zweiten Vortrag des Abends erfuhren die Besucher:innen von Friedhelm Rathjen pointenreich mehr über „Arno Schmidt als Übersetz(t)er“.

Ja, der als unübersetzbar geltende Schmidt wird nicht nur übersetzt, er hat auch übersetzt – zumeist als „Brotarbeit“ (z.B. Wilkie Collins’ „Die Frau in Weiß“, Vorlage für einen sehr erfolgreichen TV-Dreiteiler Anfang der 1970er Jahr), aber auch mit und aus Interesse (wie Edgar Allen Poe). Schmidt selbst ist inzwischen in 33 Sprachen zu lesen. Für einen Übersetzer, nämlich den kürzlich verstorbenen John E. Woods, ist die Arbeit an Schmidt zum (von Reemtsma bezahlten) Lebenswerk geworden – auch „Bottom’s Dream“, wozu bei ihm „Zettel’s Traum“ wird --- was DeepL uns als „Traum von unten“ zurückübersetzt. Schmidt Verkaufszahlen im englischsprachigen Raum bleiben aber überschaubar, was Rathjen folgende Schlussfolgerung entlockte: „Erfolg in einer anderen Sprache ist nicht abhängig von der Qualität der Übersetzung.“

Äußerst unterhaltsam verlief das Gespräch von fünf mit Celle verbundenen Übersetzer:innen am Folgetag in „Kunst & Bühne“: Claudia Ott, Friedhelm Rathjen, Werner Schmitz, Silvia Morawetz und Nicola Denis (siehe Foto v.l.n.r.)

Die Wege zum hauptberuflichen Übersetzen haben erstaunlicherweise bei ihnen Überschneidungen. Rathjen, Denis und Ott sehen ihr Interesse in einer Zweisprachigkeit fundiert, wobei es sich um ein Aufwachsen in einem Dialekt-Umfeld handelt. Claudia Ott schilderte, wie sie als Kind die Zahlen eins bis zehn tabellarisch mit den plattdeutschen Pendants versah. Und im Nachlass eines Übersetzers von „Tausendundeine Nacht“ fand sie erstaunlicherweise eine ganz ähnliche Notiz.

Ansonsten, wie sollte es anders sein: ein Interesse an Literatur, aber auf krummen Wegen, z.B. der Ärger über misslungene Übersetzungen.
Die Frage, ob ein Roman in seiner übersetzten Fassung besser werden kann, fand überwiegend bescheidene Antworten. Rathjen meinte, im Idealfall könne ein eins zu eins erreicht werden. Schmitz dagegen betont die übersetzerische Urheberschaft: „Man macht ein Buch aus einem anderen.“ Aber dabei ,so Morawetz, gehe es immer darum, dasselbe zu sagen, aber mit anderen Worten. Und dabei, so Denis, für jede:n Autor:in einen eigenen Sound zu finden, so dass in der Übersetzung gerade nicht der/die Übersetzer:in zu erkennen sein.

Spannend war auch, wie sich die „Fährleute“ hinsichtlich der Veränderungen im jeweils übersetzten Sprachraum auf dem Laufenden halten. Wer „Klassiker“ übersetzt ist da fein raus, denn da helfen im Zweifel alte Wörterbücher. Nur was ist mit dem modernen Roman? Morawetz betonte, dass es „ein ständiger Kampf“ sei. Aber klar: Film und Fernsehen hilft, um Entwicklungen von Sprache mitzubekommen. Rechercheaufwand sei vor allem bei Abkürzungen oder Slang zu treiben.

Zu kurz kam vielleicht das Thema, wie „Künstliche Intelligenz“ oder schon Übersetzungs-Tools wie DeepL das „Geschäft“ verändern.

Alle drei Publikums-Veranstaltungen waren (unerwartet) sehr gut besucht – auch die abschließende Lesungs-Matinee im Schlosstheater, die aber (weil „Matinee“) für die Langschläfer (DeepL = long sleeper) unseres Feuilletons zu früh angesetzt war.

Mehr Kulturbanausigkeit legten leider die Repräsentant:innen von Stadt und Kreis an den Tag, die sich genauso wenig blicken ließen wie die Cellesche Zeitung. Die räumte der Vorschau so viel Platz ein, dass für eine Berichterstattung wohl keine Zeile mehr übrig war (und so CelleHeute mit einem schönen Artikel von Anke Schlicht das Feld überließ.)

Ergänzend zu den Publikumsveranstaltungen gab die RWLE Möller-Stiftung den Übersetzer:innen die Gelegenheit zum fachlichen Austausch im Möller-Haus in der Zöllnerstraße.

Hinzuweisen ist an dieser Stelle selbstverständlich noch auf das

celler heft 13 / Über-setzen. Fährleute im Sprachfluss
48 Seiten, 5 Euro, erhältlich in allen Celler Buchhandlungen oder bestellbar per Mail bei: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Welche besonderen Probleme verursachen literarische Übersetzungen?

Das war unsere Frage an ChatGPT. Und wir bekamen eine Antwort, die – ein bisschen angereichert mit Beispielen – die Struktur für einen Proseminar-Schein abgeben könnte, oder?

Literarische Übersetzungen stellen besondere Herausforderungen dar, da sie nicht nur die wörtliche Bedeutung der Wörter und Sätze erfassen müssen, sondern auch den Stil, die Stimmung und die Nuancen der Originalsprache wiedergeben müssen. Hier sind einige besondere Probleme, die bei literarischen Übersetzungen auftreten können:

1. Kulturelle Unterschiede: Die kulturellen Unterschiede zwischen der Sprache des Originalwerks und der Zielsprache können eine präzise Übersetzung erschweren, insbesondere bei literarischen Werken, die auf spezifische kulturelle Hintergründe oder Traditionen Bezug nehmen.

2. Wortspiele und Wortspitzen: Literarische Werke verwenden oft Wortspiele, Wortspitzen und ähnliche Techniken, die schwer zu übersetzen sind, ohne die Bedeutung und die Wirkung des Originals zu verlieren.

3. Rhythmus und Klang: Die Sprache eines literarischen Werks kann sich auf den Rhythmus und Klang des Textes auswirken, was eine Übersetzung erschwert, insbesondere wenn der Originaltext Gedichte oder Lieder enthält.

4. Figurative Sprache: Figurative Sprache, wie Metaphern, Vergleiche und Symbolik, sind in der Literatur weit verbreitet. Diese können kulturell und sprachlich bedingt sein, und ihre Übersetzung erfordert ein tiefes Verständnis der Originalsprache und ihrer kulturellen Implikationen.

5. Dialekte und regionale Unterschiede: Dialekte und regionale Unterschiede können eine Herausforderung darstellen, da sie oft sehr unterschiedlich sind und in der Zielsprache möglicherweise nicht existieren.

6. Autorenstil: Jeder Autor hat seinen eigenen Stil, der schwer zu reproduzieren sein kann. Die Übersetzung muss daher den Stil des Autors so gut wie möglich wiedergeben.

7. Verzerrungen und Interpretation: Jede Übersetzung ist zwangsläufig eine Interpretation des Originalwerks. Die Bedeutung und Stimmung des Originals können daher leicht verzerrt werden, wenn der Übersetzer nicht in der Lage ist, eine präzise Interpretation zu liefern.

Insgesamt erfordert die Übersetzung literarischer Werke ein tiefes Verständnis der Originalsprache und Kultur sowie eine Fähigkeit zur kreativen und präzisen Wiedergabe der Bedeutung und des Stils des Originalwerks in der Zielsprache.