Noch vor wenigen Jahren ein Kandidat für das Weltkulturerbe knirscht es gegenwärtig kräftig im Gebälk des deutschen Stadttheaters. Künstlerische Freiheit versus Partizipation lautet das Thema und die Allmacht der (überwiegend männlichen Intendantur) wird befragt. Einige Beschäftigungsverhältnisse – aus Göttingen und Leipzig – haben es bis in den Spiegel geschafft, und zuletzt erging ein bühnenschiedsgerichtliches (auch eine Welt für sich, diese separate Gerichtsbarkeit) Urteil, nach welchem die Kündigung eines Schauspielers in Naumburg unwirksam sei und das Arbeitsverhältnis für zwei weitere Jahre fortbestehe, das Hausverbot allerdings wirksam bleibe. Schilda lässt grüßen!
In Celle ist Ruhe, oder?
Das Schlosstheater produziert im Vergleich zu anderen Häusern in Norddeutschland nicht eben wenig; und siehe da: Es ist in den letzten Monaten bei einigen Produktionen gar nicht so einfach gewesen, akzeptable Plätze zu bekommen (Ewig jung / Außer Kontrolle). Die Nebenbühne in Halle 19 ist eigenen Beobachtungen zufolge weitgehend gut bis sogar sehr gut besucht (Fleisch ist mein Gemüse / Wunschfunk Celle, Foto links); jedoch ist zuweilen die „heiße Nadel“ sehr zu bemerken, wenn Stücke erst nach der Premiere spielreif zu werden scheinen; - zu viele sogenannte On-Fahrten bei technischen Verwandlungen oder das bedauerliche Fehlen einer adäquaten Choreografie für den -ausgezeichneten!- Lars Fabian beim interaktiven Projekt seien hier einmal genannt.
Doch das ist verzeihlich. Bemerkenswert ist der Mut solch ein sperriges Projekt wie Vater von Florian Zeller auf die Hauptbühne zu bringen. Verena Saake und Jürgen Kaczmarek (Foto rechts) gestalten einen berührenden, angreifenden Theaterabend.
Da ist es also wieder das alte Modell:
Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen,
Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus.
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;
Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.
Und gespannt sind wir – in Erinnerung an die Wendungen des Hauses anlässlich der Gastgeberschaft einer Landtagswahlkampfdiskussion – wie das Schlosstheater sich bei der englischen Politsatire Fracking for Future (UA 2016!) positionieren wird. Der Inhalt: Prospektoren eines Energieunternehmens haben die Kavallerie vorausgeschickt, eine smarte PR-Agentur, die die Bewohner:innen eines Dorfes schon einmal sturmreif für die Pläne zur lokale Gasförderung per fracking schießen soll. Jedoch erhebt sich unerwartet lokaler Widerstand in Gestalt einer pensionierten Professorin, welche ungewollt gar noch zur Widerstandsfigur gerät – im Original der sprechende Untertitel: don’t use the f-word -- very british! Bestätigt sich ein altes Klischee? Deutsche Dramatik ist klug, die französische charmant , die britischen Bühnenautor*innen jedoch verfügen über einen gnadenlosen Witz! Dem älteren Ehepaar Elisabeth und Jack – sie energisch, er ein wenig betulich und auf Kriegsfuß mit den neuen Medien- steht die mittelalte Jenny zur Seite. Eine professionelle Aktivistin, im Gefolge deren blutjunger (!) gegenwärtiger Verehrer Sam.
Auf der Gegenseite u.a. Hal, Geschäftsführer von „Deerland Energy“ – zuletzt ein Unternehmer nicht ganz ohne Skrupel und schließlich das A***loch des Settings der durchtriebene, übergriffige Joe, Ende 30, vermeintlich im Besitz sämtlicher feinen und unfeinen Tricks und Kniffe um ein Projekt – im Wesentlichen Immer: die eigene Karriere - durchboxen zu können.
Alistair Beatons Posse läuft von Rendsburg bis Trier (eine Inszenierung des ehemaligen Celler Spielers L. Wenzel) und braucht keinen Vergleich mit Michael Frayn zu scheuen. Gnadenlos komisch, äußerst klug und charmant zugleich; - anschauen !! GEPUNKT
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Fotos: Marie Liebig