Da es Klimaänderungen – so die Sicht der AfD – „mit oder ohne unser Zutun“ gibt, würden wir mit Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen gerade unsere Freiheit verspielen. Ein Feld, auf dem die Partei damit „punktet“, ist „unser Auto“. Denn „linke Ideologen“ streben eine „neue Weltordnung“ an, „in welcher es das Fahrzeug in Privatbesitz möglichst überhaupt nicht mehr geben soll.“ So jedenfalls der Celler Wahlkreisabgeordnete Thomas Ehrhorn (AfD) am 3. März 2023 im Bundestag (in Auszügen im Kasten unten rechts). Hier mal eine Kritik:

Wenn ein Thomas Ehrhorn einfach nur lügen würde, wäre die Sache einfach. Doch die Taktik von ihm und seinen AFD-Kolleg:innen ist viel perfider. Ihr Trick besteht darin, Halbwahrheiten zu verbreiten, objektive Probleme und Missstände, berechtigte und unberechtigte Ängste ihrer Mitbürger:innen aufzugreifen, um dann daraus oft plausible, aber falsche Schlüsse zu ziehen.

Halbe Wahrheiten beim Klimawandel

Angesichts Dürren, Hitzesommern, Waldsterben und Flutwellen trauen sich AFD und Co nicht den Klimawandel zu leugnen, sondern behaupten frech, er sei nicht menschgemacht. Denn in der Erdgeschichte habe es auch ohne menschliche Einwirkung immer starke Klimaschwankungen gegeben. Das stimmt, doch es wird dabei verschwiegen, dass diese Klimaveränderungen ent­weder immer sehr kurzfristig innerhalb weniger Jahre durch Meteoriteneinschläge oder große Vulkanausbrüche oder sehr langfristig über Jahrtausende z.B. wg. Änderung der Erdachsenaus­richtung stattfanden, und dass oft nur einzelne Regionen betroffen waren. Eine kontinuierlich und stetig über 150 Jahre weltweit und relativ schnell zunehmende Erderwärmung hat es dagegen in der Erdgeschichte noch nie gegeben. Übrigens, das sagen nicht nur seit 1988 die über 200 Wissenschaftler aus 66 Ländern im Weltklimarat (IPPCC), sondern bereits in den 1970er Jahren sagten die Experten der Ölkonzerne Shell, Exxon, Total und BP einen durch Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas verursachten Klimawandel voraus. Das ist die ganze Wahrheit.

Wissenschaft ist undemokratisch

Da hat der Ehrhorn recht, denn über die Gültigkeit von Naturgesetzen kann man nicht abstimmen. Derselbe Ehrhorn, der sich tagtäglich beim Drücken des Lichtschalters ganz undemokratisch auf die Gültigkeit des Ohmschen Gesetzes verlässt, bezweifelt die seit Jahrzehnten in der Medizin erkannte und auch von der WHO bestätigte Schädlichkeit von Feinstaub und Stickoxiden. Er erklärt das von der Wissenschaft erkannte Naturgesetz, dass nanogroße Fremdkörper wie Fein­staub im Körper Entzündungen auslösen und dadurch die Lebenszeit verkürzen, einfach als „nicht belegbare Hypothese“. Zugegeben, es gibt auch unter den Medizinern einige Pkw-Fans, die mit dem Argument „im Einzelfall lässt sich die Todesursache nicht nachweisen“ jede medizinische Forschung bestreiten. Da darf sich auch der in frischer Landluft lebende Ehrhorn als Medizin-Experte aufspielen und fordert die Abschaffung der „undemokratischen WHO“.

Problem Arbeitsplatzabbau

Das ist ein reales Problem, doch wodurch gehen Arbeitsplätze verloren? In den 1980er Jahren war Deutschland noch Weltmarktführer bei analoger Telekommunikation und mitführend bei der aufkommenden IT-Hard- und Software, doch statt den digitalen Wandel zu erkennen und sich anzupassen, hatten wir tüchtigen Deutschen ja Maschinenbau, Automobilbau und Chemie­industrie. Heute sind hunderttausende Arbeitsplätze in der Telekommunikations- und IT-Industrie weggefallen und auch der treudeutscheste AFDler nutzt das Smartphone aus China. Und er müsste ohne amerikanische und chinesische Technologie auf seine Hetze in den (a)sozialen Medien verzichten. Nachdem 2014/2015 die CDU-Regierung – ganz im Sinne der AFD – die Energiewende abbremste, gingen ca. 200.000 Arbeitsplätze im Bereich Photovoltaik und Windkraft verloren, und heute hängen wir auch in diesem Bereich an China. Kein Problem, meint der weltfremde AFDler: Erneuerbare Energie brauchen wir sowieso nicht, verbrennen wir eben weiter deutsche Braunkohle, deutsches und russisches Erdgas, bzw. Kernbrennstäbe aus russischem Uran in deutschen AKWs. Ja, in China werden bereits Millionen E-PKW produziert und Ehrhorn und seine Wähler:innen träumen weiter vom Verbrenner.

Missstand asoziale Energie- und Verkehrspolitik

Es stimmt, die Preise für E-PKW sind so hoch, und auch die Preise für Verbrennungs-Pkws und die Treibstoffe sind so stark gestiegen, dass 50% der deutschen PKW-Besitzer:innen befürchten, sich keinen PKW mehr leisten zu können. Und die deutschen Hersteller verkünden ganz offen die Konzentration auf das Luxussegment. Was macht die AFD? Setzt sie sich etwa für den Ausbau des ÖPNV und für billige auch für Geringverdiener erschwingliche Tickets ein? Auch die steigenden Energiepreise für Heizung und Strom werden – bei immer weiter steigenden Mieten und Lebensmittelpreisen – für über 50% der Bevölkerung zu einem immer größeren Problem. Immer mehr Bürger:innen befürchten zurecht, dass eine Umstellung ihrer Gas- oder Ölheizungen auf Wärmepumpe genauso wie die Dämmung ihrer Gebäude sie finanziell überfordert. Auch viele Mieter:innen fürchten sich vor dadurch zusätzliche steigende Mieten. Und was macht die AFD? Fordert sie mehr sozialen Wohnungsbau, Deckelung der Mieten, Staffelung der Strompreise nach Verbrauch, billigen Strom für Wärmepumpen und massive Zuschüsse und zinslose Darlehen für Normal- und Geringverdiener bei energetischer Gebäudesanierung? Von wegen, stattdessen ist die AFD für ein Ende der Energiewende und ein „weiter-wie-bisher“ beim Wohnen und Heizen. Was sie verschweigt: Die Immobilienpreise und die Kosten für fossile Energien werden auch beim Stoppen der Energiewende weiter steigen und immer mehr ihrer verblendeten Wähler:innen in die Armut treiben. Nur ein Umstieg auf die kostenlosen Primärenergien Sonne und Wind kann bei entsprechender staatlicher Regulierung mittel- und langfristig die Energiekosten für uns alle senken.

Angstmache als Wählerfang

Wie gesagt, die Zukunftsängste vieler Bürger:innen sind berechtigt. Doch statt auf echte Lösungen zu dringen, heizt die AFD diese Ängste noch an. Ein bewährtes Konzept des Wählerfangs, das bereits einmal vor 90 Jahren, statt in eine bessere Zukunft für Millionen Menschen ins Elend führte.