Wenn die Energiewende stockt, dann liegt es oft daran, dass für größere Projekte Investoren oder Träger fehlen. Diese Lücke können Bürger-Energie-Genossenschaften (BEG) füllen, denn sie beteiligen möglichst viele Bewohner:innen einer lokalen oder regionalen politischen Einheit an der Energieerzeugung und/oder -versorgung. Sie stellen dazu Kapital bereit, durch Einlagen der Genossen:innen, Abruf von Förderzuschüssen und Aufnahme von Krediten und engagieren sich so für die Umsetzung der Energiewende vor Ort. Die Genossenschaft ist eine demokratische Rechts­form, in der jedes Mitglied gleichberechtigt eine Stimme hat, und zugleich eine bewährte Unter­nehmensform.

Energiegenossenschaften können in den vier Bereichen tätig sein:
• Erzeugung von Energie (Photovoltaik, Windkraft)
• Vertrieb alternativer Energie (Strom, Wärme, Gas)
• Übernahme und Betreiben von Netzen
• Dienstleistungen für einen effizienteren Umgang mit Energie (Beratung, Energiesparcontracting).

BEG können sich aber auch z. B. an Stadtwerken beteiligen und auf diese Weise deren Investitionen in Erneuerbare Energien unterstützen.

Was sind die Vorteile und Hemmnisse?

Die Mindesteinlage pro Mitglied ist gering (gesetzlich min. 50 Euro, bei der BEG Aller-Fuhse-Aue z.B. 500 Euro. S. u.), so dass sich praktisch jede:r beteiligen kann. Anderseits gibt es keine Begrenzung bzgl. des Erwerbs von Geschäftsanteilen, so dass eine größere BEG-Beteiligung zur Alternative zu schlecht verzinsten Bankeinlagen sein kann.

Ein großer Vorteil ist auch das geringe Risiko der Mitglieder: Es gibt keine weiteren Pflichteinzahlungen, keine Nachschusspflicht und für Verbindlichkeiten der Genossenschaft haftet nur das Genossenschaftsvermögen. Allerdings birgt die demokratische Struktur – jedes Mitglied hat dasselbe Stimmrecht unabhängig vom Umfang seiner Anteile – auch Gefahren. Da die wirtschaftlichen Interessen einer BEG meist nicht so einheitlich sind wie in anderen Unternehmensformen, kann ein Streit unter den Mitgliedern eine Genossenschaft relativ leicht blockieren.

Auch der Aufwand für Organisation und Geschäfts­führung wird oft unterschätzt. Während z.B. für ein PV-Solarfeld oder eine WEA die Buchhaltung und Steuer von der bereits bestehenden Verwaltung eines Stadtwerks ohne allzu großen Mehr­aufwand miterledigt werden kann, fallen bei einer BEG dafür leicht mal 5 % des Umsatzes an. Auch eine rein ehrenamtliche Geschäftsführung einer BEG ist langfristig meist unrealistisch, schließlich braucht es dazu Fachleute mit sowohl technischer als auch betriebswirtschaftlicher Erfahrung.

Kein Gewinnabfluss in die Taschen der Aktionär:innen von Großkonzernen

Für die Genoss:innen einer BEG i.d.R. wird der lokale bzw. regionale Ausbau der Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien vorrangig sein, so dass die Gewinne einer BEG vor Ort reinvestiert werden. So werden zumindest in den Anfangsjahren einer BEG keine oder nur geringe Ausschüttungen an die Mitglieder erfolgen. Und wenn diese Ausschüttungen erfolgen, so bleibt doch die Wertschöpfung weitgehend lokal bzw. regional gebunden. Bei Investitionen von Groß­konzernen oder deren Töchter wird dagegen die Rendite für ihre Aktionäre im Vordergrund stehen, und statt lokaler Reinvestition werden die Gewinne aus lokaler und regionaler Tätigkeit nur allzu oft im Ausland investiert, wie das z.B. EON und RWE mit ihren Milliardeninvestitionen in den USA bereits seit Jahren praktizieren.

Seit zehn Jahren in Ahnsbeck

Was viele nicht wissen: Bereits seit zehn Jahren beheizt die Energiegenossenschaft Ahnsbeck (EGA) über ein Wärmenetz mit ursprünglich 146 Haushalte, das inzwischen auf 370 und dem­nächst 400 Haushalte angewachsen ist. (Informationen über die Planung und die nötigen Realisierungsschritte der EGA findet man hier https://www.ahnsbeck.de/ega_presentation.html).

Auch wenn nach heutigem Stand der Technik die Energieeffizienz des Ahnsbecker Netzes etwas besser sein könnte, kann das Wärmenetz von Ahnsbeck sogar bundesweit als Vorbild dienen. Denn es existiert immer noch das Vorurteil, Wärmenetze seien nur in dicht bebauten Wohn­gebieten mit Geschossbau sinnvoll; Ahnsbeck beweist das Gegenteil. Die EGA verwirklichte die Wärmeversorgung nach damaligem Stand der Technik als heißes Wärmenetz, das über ein Holzhackschnitzel-Heizwerk und die Abwärme von Biogasanlagen gespeist wird. Die relativ hohe Netztemperatur hatte den Vorteil, dass über einen einfachen Wärmetauscher praktisch jeder Haushalt ohne Austausch seiner Heizkörper angeschlossen werden konnte und eine energetische Sanierung des Hauses keine Vorbedingung war. Aufgrund der geringen Anschlusskosten und in der Hoffnung auf günstigere Heizkosten legten deshalb viele

Ahnsbecker:innen ihre Heizungen still und schlossen sich an das Wärmenetz an.

Zwischenzeitlich kamen zwar immer wieder Zweifel auf, wenn die Erdgas- oder Heizölpreise gerade mal tiefer lagen als der EGA-Wärmepreis, aber heute freuen sich alle Genoss:innen über ihre zukunftssichere Entscheidung. Und selbst wenn langfristig das Holz zu knapp und teuer wird und auch Biogas aus Energiepflanzenanbau aus wirtschaftlichen und klimatischen Gründen langfristig ausfallen wird, bleibt das Wärmenetz in Ahnsbeck zukunftssicher. Mittel- und langfristig lässt es sich ja auf Geothermie als Wärmequelle umstellen. (Über die Möglichkeiten moderner Wärmenetze informiert z. B. https://info-de.scientists4future.org/waermenetze/).

Bürgerenergie Aller-Fuhse-Aue eG – der neue Stern am LK-Himmel

In Nienhagen wurde nach zwei Jahren Planung und Vorbereitung die „Bürgerenergie Aller-Fuhse-Aue“ begründet und ist seit 29.12.2022 eingetragen und voll aktiv. Bereits jetzt sind über 100 Mitglieder beigetreten und ein Team aus 14 Technik- und Management-Expert:innen macht sich an die Arbeit, die ersten Betätigungsfelder zu erschließen.

Im Bereich Strom sind das: Betrieb von PV-Anlagen auf öffentlichen und privaten Gebäuden; Gemeinsame Bestellung von PV Anlagen; Angebot von Balkonkraftwerken; Projektierung und Betrieb von Freiflächen und Agri PV Anlagen; Beteiligung an Windenergieanlagen in der Region; Energy Sharing, lokaler Direktvertrieb von Strom.

Im Bereich Wärme sind das: Betrieb von ‚kalten Nahwärmenetzen‘ zur Bereitstellung von Erdwärme; Gemeinsame Beschaffung von Wärmepumpen; Nutzung von Abwärme.

Im Bereich Mobilität sind das: Carsharing in Kooperation mit Greenhagen e.V.; Ausweitung des Carsharing Angebotes in der Region; Beschaffung und Betrieb von Ladesäulen; Betrieb einer App zur Vermittlung von Fahrgemeinschaften und Mitfahrgelegenheiten.

Im Bereich Beratung sind das: Durchführung von Informationsveranstaltungen für Bürgerinnen und Bürger in der Region; Unterstützung bei der Bewertung von Angeboten; Vermittlung von Energieberater:innen und Handwerksbetrieben; Durchführung von Energiemessen.

Im Bereich Sektorenkopplung sind das: Erzeugung von grünem Wasserstoff aus Überschuss­strom eigener PV und Windkraftanlagen; Optimierter Betrieb von Wärmepumpen mit selbst erzeugtem Strom; Nutzung von E-Fahrzeugen zur Speicherung von elektrischer Energie.

Wer sich beteiligen will oder Anregungen für eine BEG in der eigenen Kommune sucht, sollte mal unbedingt hier reinschauen: https://www.be-alfa.de/.