Karstadt/Galeria in Celles Altstadt mach nach fast 100 Jahren dicht

Sechs Jahre fehlen jetzt bis zum 100-jährigen Bestehen des Karstadt-Kaufhauses in Celle. Doch die Trauerbekundungen halten sich in Grenzen. Das „Warenhaus“ hat seine Faszination (und vielleicht auch seinen Gebrauchswert) eingebüßt. Nostalgische Erinnerungen haben vielleicht Menschen, die den allergrößten Teil ihres Lebens ebenfalls im letzten Jahrhundert verbracht haben.

„Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine "ungeheure Warensammlung", die einzelne Ware als seine Elementarform.“ So lautet der erste Satz von Karl Marx im ersten Band von „Das Kapital“. Nirgendwo war dies erlebbarer als im Kaufhaus.
Seit längerem sind zwar die Alt- bzw. Innenstädte als Ganze zu Tempeln des Konsums geworden. Die „ungeheure Warensammlung“ aber hat sich ins Internet verlagert mit Amazon als digitalem Altar – und Logistikzentren in irgendwelchen Gewerbegebieten.

Oberbürgermeister Nigge gab sich interviewt von „Capital“ dann auch gelassen: „Ich würde infrage stellen, ob Galeria Karstadt wirklich so ein großer Magnet war. Aus irgendwelchen Gründen scheinen sie betriebswirtschaftlich nicht klargekommen zu sein – und das liegt unter anderem natürlich an fehlendem Publikum. Wir sind hier seit sechs Jahren dabei, inhabergeführte Geschäfte im Mix mit großen Ketten anzusiedeln. Damit konnten wir den Leerstand um die Hälfte reduzieren. Das klappt also gut, weshalb ich das Aus auch nicht als großen Schlag für die gesamte Fußgängerzone sehe.“

(Dass es gelungen sei, den Leerstand um die Hälfte zu reduzieren, erinnert inzwischen an den Sound von DDR-Leistungsbilanzen – wer’s glaubt …)

Im Unterschied zu den Schließungen an anderen Standorten liegt der Immobilienbesitz in Celle nicht bei der Signa-Gruppe von René Benko, sondern bei der „Deutschen Mittelstand Real Estate AG“ aus dem hessischen Langen. Die Aktiengesellschaft hält Gewerbeimmobilien in mittelgroßen Städten. Gegenüber „Capital“ äußerte sich Nigge so: „Wir stehen mit dem Eigentümer schon länger in Kontakt – auch wegen anderer Immobilien. Von daher bin ich zuversichtlich, dass wir einen Kompromiss finden werden. Der Eigentümer scheint jedenfalls ein vitales Interesse an einer Nachvermietung zu haben.“ Er könne sich aber auch vorstellen, das Gebäude als Stadt zu übernehmen.

Doch was soll dann werden aus diesem nach dem Schloss zweitgrößten „Klotz“ in der Altstadt?

Auch eine Zeit zum Träumen? Die Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstaltete mit Feministinnen aus Argentinien, Chile und Spanien im Januar in Berlin eine Diskussion unter dem Titel: “Shoppingmalls zu Sorgezentren! Einstiegsprojekte in feministisches Vergesellschaften“. Die Frage dabei: Wie können geschlossene Shoppingmalls in den Innenstadt für die Bedürfnisse der Menschen zurückgewonnen und eine gemeinwohlorientierte Transformation anstoßen? Von Karstadt zu Care-Stadt also? In Celle kaum denkbar, obwohl: „Unzureichende“ Räume haben z.B. die vhs oder die Stadtbibliothek. Eine Uni wird Celle wohl nicht mehr bekommen, aber warum nicht eine „Mensa für alle“. Vorstellbar wäre auch, bestimmte Dienstleistungen von Kreis- und Stadtverwaltung im Zentrum zu platzieren.

Dass die Stadtzentren zukünftig mehr sein müssen als Warenumschlagplätze ist allen klar, die sich mit der Misere der Innenstädte befassen: „Shopping“ ist in diesen Diskussionen nur eine unter vielen Optionen. Gastro und Entertainment, Bildung und Gesundheit – das alles gehört zu gängigen „Belebungs“-Konzepten.

Nur wo soll das Geld dafür herkommen? Die erste Insolvenz hat den deutschen Staat 680 Millionen Euro gekostet.

Denkbar bleibt, dass sich die Leerstandsfläche in Celles Altstadt über Jahre gewaltig vergrößert – und am Ende eine Baugrube droht.