Energieversorgung in Eigenregie


Die energiepolitische Diskussion drehte sich in der jüngeren Vergangenheit in Celle zumeist um so spannende Fragen wie jene, wer welchen Anteil an der Weihnachtsbeleuchtung der Innenstadt zu tragen hat. Das wird sich ändern. Denn in den nächsten Monaten wird über die Zukunft der Energieversorgung in dieser Stadt entschieden. Dies hängt damit zusammen, dass die Konzessionsverträge für Strom und Gas neu ausgeschrieben sind. Jetzt ist der Stadtrat gefragt, aber nicht nur er: Wichtig wäre eine öffentliche Diskussion. Bis vor 12 Jahren war die Energieversorgung ein Kerngeschäft der Kommunen. Entweder sie versorgten die Bürger_innen und Betriebe über eigene Stadtwerke oder diese Aufgabe war an ein regionales Versorgungsunternehmen abgegeben, wobei die Kommune – in der Regel – Anteile hielt. Das Ganze funktionierte, weil es geschlossene Versorgungsgebiete gab. Es konnte also jeweils nur ein Unternehmen in einem bestimmten Gebiet tätig sein. Eingefordert von der EU, war dies 1998 vorbei. Die Energiemärkte wurden dereguliert. Die Gebietsmonopole waren aufgehoben, unterschiedliche Energieanbieter konkurrieren seitdem um die Kund_innen. Gleichzeitig hat diese Deregulierung vor allem die großen vier Energiekonzerne gestärkt: E.on, Vattenfall, EnBW und RWE beherrschen heute den Markt.

In Celle wurden 1999 auf Betreiben des damaligen Oberstadtdirektors Martin Biermann die Stadtwerke verkauft. Und zwar an die E.on-Tochter AVACON. Gute Argumente für einen Verkauf gab es kaum – für die einen war es der reine Privatisierungsfetisch, andere hatten die Sorge, die kleinen Stadtwerke könnte im Wettbewerb nicht bestehen. Heute kann mit Fug und Recht von einer Fehlentscheidung gesprochen werden. Doch jetzt besteht die Chance zu einer Korrektur. Das Stichwort heißt Rekommunalisierung, der Türöffner ist die Neuvergabe der Konzessionsverträge.

Um was geht es dabei.

Die Städte und Gemeinden treten im Konzessionsvertrag das Recht für die Nutzung der öffentlichen Wege und Plätze zum Aufbau und Betrieb eines Versorgungsnetzes an ein Energieversorgungsunternehmen ab – oder aber sie besorgen den Netzbetrieb in eigener Regie.

Aktuell ist die Konzession an die Stromversorgung Osthannover (SVO) abgetreten; dafür bekommt die Stadt Celle etwa 4 Mio. Euro jährlich. Die SVO muss dafür das Netz intakt halten; und sie kassiert Durchleitungsgebühren für jede kWh, die durch dieses Netz geliefert wird. Sowohl die Konzessionsabgabe wie die Durchleitungsgebühren sind im Prinzip festgelegt; es ist insofern kein Geschäft, mit dem die hohen Renditen zu erzielen wären, aber absolut sichere. Das Hauptproblem liegt darin, dass zum Betrieb in Eigenregie das Netz (also Stromleitungen, Verteilerstationen etc.) zurückgekauft werden muss. Denn das war es, was die Stadt im Rahmen der Privatisierung verkauft hat. Dafür hatte man seinerzeit Aktien im Wert von 94 Mio. DM bekommen, die aktuell eine Börsennotierung von gut 60 Mio. Euro haben. Der Rückkauf wäre also machbar. Nur: Kann der Gewinn aus dem Netzbetrieb die Einnahmen aus Konzessionsabgabe und Aktien-Dividende (etwa 6 Mio. jährlich) ersetzen?

Aus energiepolitischer Sicht wird die Rekommunalisierung richtig interessant aber erst, wenn die Stadt auchwieder zum Energiehändler und Energieproduzenten wird. Denn nur dann gibt es einen weitergehenden Einfluss auf die kommunale Energiepolitik. Im Stadtrat werden zur Zeit alle Optionen unter Einschaltung von Expert_innen beraten. In einem Workshop, der von der Gesellschaft KommunalPartner durchgeführt wurde, schälten sich als Handlungsoptionen heraus: Die „Rekommunalisierung in Eigenständigkeit" und „Rekommunalisierung mit einem kommunal orientierten Partner" rangieren nahezu gleichwertig mit großem Vorsprung vor den Handlungsoptionen „Markante SVO-Beteiligung" und „Rekommunalisierung mit konzernorientiertem Partner". Die Empfehlung im Workshop lief darauf hinaus, tatsächlich entweder wieder eigene Stadtwerke an den
Start zu bringen oder dies mit einem regional orientierten Partner zu tun. Der bisherige Konzessionsnehmer SVO schnitt unter Berücksichtigung der angestrebten Ziele schlecht ab, ebenso wie die Zusammenarbeit mit e.on oder einem anderen der großen Energiekonzerne.

In dem der revista vorliegenden Protokoll des Workshops werden als „erste Ansätze für eine Zielausprägung eines möglicherweise neu entstehenden Stadtwerkes“ u.a. festgehalten:

  • "durch Übernahme der Energienetze und Hinzufügen weiterer geeigneter Geschäftsfelder eine Grundlage für rentable versorgungswirtschaftliche Aktivitäten zu legen
  • die ökologische Entwicklung der Kommune bezüglich aller energieverbrauchenden Zielgruppen aktiv zu unterstützen und lokale/regionale Primär- und Sekundärenergiequellen in ein kommunales Versorgungskonzept zu integrieren
  • durch zukünftige Versorgungsüberschüsse vorhandene und neue unrentable Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge zu alimentieren (steuerlicher Querverbund) [...]“

Diese Orientierung liegt voll auf der Linie der aktuellen Rekommunalisierungsdiskussion, die DIE LINKE im vergangenen Jahr mit einem Ratsantrag aufgenommen hatte. Jetzt haben auch die SPD und die Bündnisgrünen Anträge gestellt. Der Antrag der Bündnisgrünen von Mitte Februar bleibt hinsichtlich der Organisationsform vage. Als Ziel wird u.a. ausgegeben: „Vorrangige Aufgabe ist die CO 2- Minderung durch Erschließung erneuerbarer Energien, die Schaffung dezentraler Versorgungsstrukturen und umfassende Beratung zur Energieeinsparung.“ In der Begründung findet sich ein Finanzierungsvorschlag, der scheinbar das Aktienpaket der Stadt nicht angreifen will: „Die Finanzierung der Übernahme ist durch Kreditaufnahme des neu zur schaffenden städtischen Energieversorgers zu sichern.“

Die SPD hat sich in einem scheinbar schon festgelegt:
Sie will die Rekommunalisierung mit einem „Partner“ angehen, also nicht im Alleingang. In ihrem Antrag vom März heißt es hierzu: „Bei der Auswahl eines Partnerunternehmens sind auch Standortnähe und die Sicherung lokaler Arbeitsplätze im Energiebereich zu berücksichtigen.“ Letzteres könnte auch so „missverstanden“ werden, dass eine Kooperation mit der SVO für die SPD im Bereich des vorstellbaren liegt. Da sollte die SPD schnell Klarheit über ihre Priorität schaffen.

Unterstützung findet Befürworter_innen einer Rekommunalisierung zwischenzeitlich durch die Ortsmitgliederversammlung der Gewerkschaft ver.di. Dort wurde am 11.3. einstimmig beschlossen, „den Oberbürgermeister und den Stadtrat auf[zufordern], die erforderlichen Schritte für eine Rekommunalisierung der Energieversorgung in der Stadt Celle einzuleiten und umzusetzen.“