Ein Interview mit Rob Hopkins

Der Gedanke ist einfach: Eine lokale Wirtschaft ist nachhaltiger, umweltfreundlicher und zudem widerstandsfähiger gegenüber ökonomischen Außenschocks. Die Transition-Town-Bewegung hat sich diesem Prinzip verschrieben und betreibt eine Art Klimaschutz von unten. Sie will die Bürger_innen animieren, die Umgestaltung ihrer Kommunen selbst in die Hand zu nehmen, um auf das Ende des Ölzeitalters und den Klimawandel zu reagieren. Statt von Konzernen dominiert zu werden, sollen die Städte wieder in die Lage versetzt werden, ihre Lebensmittel, Energie oder Baumaterialien regional und selbständig zu produzieren.

„Kontext – die anderen Nachrichten“, das Projekt eines unabhängigen webbasierten Nachrichtenmagazins, führte in einer Sendung vom Dezember 2009 ein Interview mit dem Gründer der Transition-Town-Bewegung, Rob Hopkins (siehe Foto). Das Interview ist übersetzt und transkribiert. Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion veröffentlichen wir hier die Kernpassagen:


David Goeßmann: Rob Hopkins, schön Sie in unserer Sendung zu haben. Vielleicht erzählen Sie uns einmal was Transition Towns eigentlich sind und was sie zu tun haben mit der Ölverknappung, dem sogenannten Peak Oil, und dem Klimawandel.

Rob Hopkins: Die Transition Bewegung basiert auf der Idee, dass man Leute nicht dazu bringt, sich angesichts von Peak Oil und Klimawandel zu engagieren, indem man sie in Panik versetzt oder mutlos macht. Ihnen ein Flugblatt mit schrecklichen Sachen darauf in die Hand drückt und dann erwartet, sie würden aktiv werden. Vielleicht aber lässt sich etwas bewegen, wenn wir uns den Optimismus zu nutze machen. Das könnte dann dazu führen, die Dinge komplett neu zu sehen. Anstatt also auf den Klimawandel und die rasante Ölverknappung als eine Katastrophe und ein Desaster zu schauen, können wir diese Phänomene als Chance sehen, unsere Lebenseinstellungen zu überdenken. Schaut man nur auf Peak Oil, als das absehbare Ende der Ölressourcen, dann resultiert daraus die Suche nach neuen flüssigen Energieträgern. Schaut man nur auf Klimawandel, dann konzentriert man sich schlicht auf technische und ökonomische Lösungen usw. Bringt man beide Dinge zusammen, dann entsteht eine gemeinsame Mitte. Und dort geht es dann um etwas Neues, das zu planen und zu organisieren wäre, nämliche die ökonomische Schrumpfung und Regionalisierung, den Wiederaufbau unserer lokalen Märkte. So könnten wir einen großen Teil unserer Bedürfnisse stärker lokal befrieden, natürlich nicht alle, aber sehr viele. Damit wird unsere Wirtschaft widerstandsfähiger und flexibler. Auf der einen Seite werden wir ökonomisch zulegen müssen, um eine Infrastruktur für erneuerbare Energien aufzubauen, auf der andern Seite müssen wir unseren Energieverbrauch runterfahren. Wir argumentieren, dass im aktuellen ökonomischen Kontext der Ansatz, lokale Wirtschaftsformen wieder aufzubauen und den Nahrungsmittelbedarf und Baumaterialen vor Ort zu organisieren, weit mehr geeignet ist, die lokalen Märkte zu stimulieren, als wenn weiter gemacht wird wie vor der Krise.

Fabian Scheidler: Wie funktionieren Transition Towns? Was wird dort getan, um nachhaltig zu leben? Was passiert zum Beispiel in der Stadt Totnes, wo alles begann?

Rob Hopkins: Transition funktioniert nicht als fertiger Instrumentenkasten. Es ist ein Katalysator, ein Beschleuniger. Er soll Leute in einen Prozess mitnehmen, der sich als historisch, gemeinschaftlich und selbstorganisierend empfindet und offen ist für ein breites Spektrum der Bevölkerung. Es hat also weniger zu tun mit dieser klassischen Aktivisten-Kultur, die manche Menschen abschreckt. Der Prozess hat gerade begonnen und soll erst einmal Aufmerksamkeit erzeugen, er ist erfinderisch, macht Spaß und ist positiv ausgerichtet. Von da aus starten die Gemeinschaften und Kommunen konkrete Projekte und Ideen. Diese Projekte können sich mit Energie beschäftigen, mit lokalen Wirtschaftsformen mit Bezug auf Nahrungsmittel oder neuen Geldwährungen usw. Es gibt sehr viele Dinge, die stattfinden und Transition ist von Ort zu Ort unterschiedlich. In Totnes, einer kleinen Stadt hier in England, sind schon eine Reihe von Projekten gestartet. Wir haben eine Regionalwährung, die unsere lokale Wirtschaft belebt, wir errichten ein von uns, den Bürgern, selbst gegründetes und betriebenes Energieunternehmen, wir sind dabei Land zu erwerben, um darauf Gemüse und Obst anzu- bauen und wir zeigen den Leuten, wie das geht. Wir haben außerdem ein nachhaltiges Bauunternehmen gegründet, wir wollen mitten in der Stadt ein Grundstück erwerben, um daraus ein Gründerzentrum für klimafreundliche Innovationen zu machen. Ein zentrales Projekt ist der von uns so genannte “Energiesparplan”, ein Plan B, ein Niedrigkohlenstoff-Plan für die Stadt, um auf den Klimawandel zu reagieren und unseren Ölverbrauch zu reduzieren. Dieser Plan ist so gut wie fertig. Also es handelt sich um einen die ganze Kommune erfassenden Prozess, in dem es um Brainstorming, Fantasieren, Ideenaustausch geht, der in praktischen Anwendungen mündet.

David Goeßmann: Erklären Sie uns einmal den Begriff Resilienz, ein zentraler Begriff für die Transition Bewegung. Warum ist es so wichtig, resilient zu werden?

Rob Hopkins: Resilienz bezieht sich auf die Fähigkeit eines Systems, sei es nun ein Individuum oder eine Gemeinschaft, Schocks von außen zu widerstehen. Also wenn ein resilientes System unter Schock gerät, fällt es nicht gleich zusammen in Einzelteile. Ein Beispiel: Im Jahr 2000 streikten hier in England unsere LKW-Fahrer. Über mehrere Tage fuhren keine LKWs. Schnell wurde klar, dass dieses Land unmittelbar vor einer gravierenden Nahrungsmittel-Krise stand. Die örtlichen Nahrungsmittelstrukturen, die Verbindungen zwischen den Siedlungen und Ortschaften und den Bauernhöfen der Umgebung waren in weiten Teilen zerstört, nur wenige Menschen bauen selber an, lagern noch Obst und Gemüse.  Die Fähigkeit von Siedlungen und Ortschaften, Schocks auszuhalten, ist weit geringer als in der Vergangenheit. Die Menschen betreiben keine Gärten, es gibt keine lokale Nahrungsmittelversorgung mehr. Das Zeitalter von billigem Öl hat es uns erlaubt, solche Dinge als altmodisch abzutun. Wir haben sie schlicht in den Mülleimer der Geschichte geworfen. Resilienz bedeutet also, unsere Siedlungen flexibler, baukastenähnlich aufzubauen, angepasst an ihre spezifischen Bedürfnisse. Die Orte sind natürlich weiter untereinander verbunden, aber nicht in einer absoluten gegenseitigen Abhängigkeit voneinander. Wir denken, dass die Idee der Resilienz vielleicht das wichtigste Element von Nachhaltigkeit ist. Denn mit Blick auf Kohlenstoff kann man die CO2-Emissionen einer Stadt halbieren, aber in keiner Weise seine Widerstandsfähigkeit erhöhen und seine Fähigkeit stärken, Außenschocks zu widerstehen. Daher sagen wir, dass der Aufbau von Resilienz die gleiche Stellung erhalten sollte wie die Reduktion von Kohlenstoff. Insbesondere im Hinblick auf Peak Oil. Wir sehen, dass der Gedanke der Widerstandsfähigkeit immer stärker ins öffentliche Bewusstsein kommt. Oft geht es dann aber nur darum, wie sich eine Stadt nach einem Schock wieder in den alten Zustand bringen kann. Wir verstehen unter Resilienz aber, den Schock zu benutzen, um eine soziale Lebensform aufzubauen, die wesentlich stärker, anpassungsfähiger ist als die alte.

Fabian Scheidler: Viele Menschen glauben, dass großtechnische Lösungen - wie z.B. die Kohlenstoffabscheidung - uns vor einem Klimadesaster bewahren werden. Was ist ihre Meinung dazu?

Rob Hopkins: Wir haben zu spät mit diesen Dingen begonnen. Manche Menschen denken, dass wir in zehn Jahren eine magische Technologie entwickelt haben werden, die alle Probleme löst, so dass wir nichts tun müssen. Jemand erfindet kalte Kernfusion oder entdeckt eine unglaubliche Energiequelle. Ich denke, wir kommen nicht um die Schlussfolgerung herum, dass der derzeitige Energieverbrauch nicht durch alternative Energieträger befriedigt werden kann, wiewohl diese alternativen Energien uns trotzdem unterstützen können, ein glückliches Leben zu führen. Das billige Öl hat uns erlaubt, eine enorme Anzahl von Dingen zu tun. Aber es hat uns zugleich unglaublich verschwenderisch und ineffizient gemacht. In Großbritannien schmeißen wir die Hälfte der Nahrungsmittel weg, die wir anbauen. Und die Menge an Energie, die wir verschwenden, ist einfach scheußlich. Ich denke nicht, dass es eine magische technologische Lösung insbesondere in diesem derzeitigen ökonomischen Klima gibt. Auch wenn es so etwas gäbe, ist es sehr fraglich, wie wir uns das leisten könnten. Wir sollten die Technologien, die wir ja haben, so schnell wie möglich anwenden und zugleich deutlich mit dem Verbrauch runter gehen. Technologie hat seinen Platz, aber Technologie muss angemessen sein, sie muss verstanden werden von den Menschen in den Kommunen, die sie nutzen, und sie sollte einfach zu produzieren sein. {jcomments on}

David Goeßmann: Das war Rob Hopkins, Gründer der Transition Town Bewegung. 

Quelle: http://www.kontext-tv.de

Mehr zu Totnes in einem Artikel der Geo Nr. 05/2010; siehe: Hanne Tügel, Transition Town: Testfall Totnes,  Und ein arte-Bericht (Video) „Die Transition Towns - Bewegung -Städte und Menschen im Wandel“